Taktisches Manöver zur Machtsicherung?
Siemens-Chef Peter Löscher baut wieder einmal ordentlich um. Nachdem er erst vor vier Jahren die zwölf Geschäftsbereiche des Konzerns auf drei verkleinert hatte, kommt nun ein viertes Standbein dazu. Mit dem nun abgesegneten Verkauf der Mehrheit der Lichttochter Osram sorgt Siemens zudem für erwartungsvolle Gesichter an der deutschen Börse.
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Der Aufsichtsrat brachte Montagabend den größten Umbau seit dem Schmiergeldskandal, der 2007 unter anderen den Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich von Pierer und den Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld die Ämter kostete, auf den Weg. Kleinfelds Nachfolger Löscher zog die Lehren aus der Affäre damals mit schlankeren Konzernstrukturen, einer Verkleinerung des Vorstands und mehr Verantwortung für die Führungskräfte.
Nun wächst die Konzernstruktur wieder. Künftig soll eine vierte Sparte für zukunftsträchtige Umwelttechnologien den wachsenden Energiehunger von Großstädten Rechnung tragen, der Vorstand wird aufgestockt, und frisches Geld für Investitionen kommt diesmal von der Börse und nicht aus der Konzernkassa.
Osram
Die Münchner Osram gehört mit einem Umsatz von 4,7 Milliarden Euro und weltweit rund 40.000 Mitarbeitern zu den größten der Branche. Ein Verkauf gilt als schwierig, da kaum ein Konkurrent den Milliardenerwerb stemmen könnte.
Größter Börsengang seit Jahren
Seit Tagen hielt sich das Gerücht hartnäckig, am Montagabend segnete dann der Aufsichtsrat einen der größten Börsengänge der letzten Jahre in Deutschland ab. Der Leuchtenhersteller Osram, dessen Alleingesellschafter Siemens seit 1978 ist, steht vor kapitalintensiven Investitionen im Bereich LED-Beleuchtung, das Geld wollte der Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser jedoch nicht so einfach vorstrecken.
Ein weiterer Grund, sich von Osram zu trennen, vermutet das „Handelsblatt“ auch in der neuen Firmenausrichtung, die Löscher derzeit durchbringt. Demnach würde das auf den Endverbraucher gerichtete Geschäft von Osram nicht mehr ins Konzept eines „grünen Infrastrukturpioniers“ passen. Und damit wurde auch das Geheimnis um den neuen Job des ehemaligen Chefs der Siemens-Energiesparte, Wolfgang Dehen, gelüftet. Er darf Osram an die Börse führen.
Grünes Licht für den Verkauf der Mehrheit an dem Leuchtmittelhersteller kam am Montagabend vom Aufsichtsrat. Der zu den Weltmarktführern der Branche zählende Traditionsbetrieb soll aber auch künftig eine wichtige Rolle bei Siemens spielen, da der Konzern „langfristig als Ankeraktionär an Osram beteiligt“ bleiben wolle. „Mit dem Börsengang wollen wir Osram volle unternehmerische Freiheit geben, seine führende Wettbewerbsstellung in dem sich technologisch verändernden Lichtmarkt umfassend weiterzuentwickeln“, sagte Löscher. Den Angaben zufolge sei der Börsengang bereits für Herbst 2011 angestrebt.
Zahl der Vorstände steigt auf zehn
Die Konzernmutter soll neben einer neuen Sparte auch zwei neue Vorstände bekommen. Neben Roland Busch, der als neuer Leiter der Sparte „Infrastructure and Cities“ in das bisher achtköpfige Vorstandsgremium aufrückt, will Löscher auch die Rolle eines Technologievorstands wiederbeleben, wie die „Süddeutsche“ berichtete. Das Amt übt derzeit Medizintechnik-Chef Hermann Requardt nebenbei aus. Künftig soll die neue Vorstandsfunktion Klaus Helmricht, bisher für die Antriebstechnik zuständig, übernehmen.
Die Stelle von Energie-Chef Dehen soll künftig Michael Süß übernehmen, der zuvor für den Bereich fossile Energien zuständig war. Weiterhin im Vorstand bleiben Kaeser (Finanzen), Barbara Kux (Einkauf und Umweltportfolio), Peter Solmssen (Recht und Compliance), Siegfried Russwurm (Industrie), Requardt (Medizintechnik) und Brigitte Ederer (Personal).
Wien profitiert von neuer Sparte
Vor allem auf den Österreich Standort kommt durch den neuen Sektor wichtige Aufgaben zu, wie die Tageszeitung „Die Presse“ berichtete. Denn bereits jetzt werden hier neben den „intelligenten“ Stromzählern auch Systeme für energiesparende U-Bahnen hergestellt, die nun unter dem Bereich „grüne Energien“ subsumiert werden.
Industriechef verliert Vormachtstellung
Beim Konzernumbau dürfte Löscher aber nicht völlig frei von machtpolitischen Überlegungen gewesen sein. Denn durch die Umstellung verliert vor allem der Chef des Industriesektors, Russwurm, seine Vormachtstellung im Konzern. Bisher stand Russwurm rund 200.000 Mitarbeitern vor und erwirtschaftete einen Umsatz von rund 35 Milliarden Euro. Nun wird dieser Bereich deutlich schrumpfen.
So sollten etwa die Gebäudetechnik und die Mobility Division, zu der unter anderem das Bahngeschäft gehört, in die neue Sparte wechseln und die Servicesparte Industry Solutions komplett eingestellt werden. Offiziell wird zwar versichert, dass der Industriebereich schon länger zu groß und unübersichtlich geworden sei, für Russwurm dürfte damit ein Sprung auf den Chefsessel aber vorerst in weite Ferne rücken.
Laut „Financial Times Deutschland“ („FTD“) erreicht Löscher mit dem Neuzuschnitt des Unternehmens, dass die neuen Sektoren künftig - mit Ausnahme der Medizintechnik - eine ähnliche Größe von jeweils ungefähr 20 Milliarden Euro Umsatz haben. Gleichzeitig setzt Löscher weiter auf Wachstum und will in Summe das Geschäftsvolumen in den kommenden Jahren über die Marke von 100 Milliarden Euro treiben.
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