USA verteidigen Libyen-Einsatz
Im Schutz der westlichen Militärkoalition sind die libyschen Rebellen am Wochenende weit nach Westen vorgerückt. Nach den Städten Adschdabija und Brega fiel den Aufständischen am Sonntag auch der strategisch wichtige Ölhafen Ras Lanuf rund 660 Kilometer östlich von Tripolis wieder in die Hände, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten.
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Ras Lanuf, das 370 Kilometer westlich der Rebellenhochburg Bengasi liegt, hatten die Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi den Aufständischen vor zwei Wochen entrissen. Nun nahmen die Aufständischen die Stadt wieder ein, die Al-Gaddafi-Truppen zogen sich laut den AFP-Berichten in Richtung Sirte zurück, der Geburtsstadt Al-Gaddafis.

Graphi-Ogre/ORF.at (Montage)
Al-Gaddafi verliert auch Ben Dschawad
Wieder von den Rebellen kontrolliert wird laut Reuters auch die 525 Kilometer von Tripolis entfernte Stadt Bin Dschawad. Den Berichten zufolge waren im Zentrum der Stadt Dutzende Geländefahrzeuge der Rebellen zu sehen, die mit Maschinengewehrsalven die Rückeroberung feierten.
Mit der Rückeroberung von Ben Dschawad standen die Rebellenverbände wieder so weit westlich wie vor der am 6. März gestarteten Gegenoffensive der Al-Gaddafi-Truppen. Durch die jüngsten Vorstöße befinden sich neben Brega und Ras Lanuf mit Tobruk, Adschdabija, Suweitina, und Al-Sidra alle Ölhäfen im Osten des Landes.

AP/Anja Niedringhaus
Regimegegner in Siegespose
Bereits am Samstag hatten die Al-Gaddafi-Truppen bereits die strategisch wichtige ostlibyschen Stadt Adschdabija, 160 Kilometer südlich der Rebellenhochburg Bengasi, verloren. Am Sonntag legten sie eine Strecke von 250 Kilometern zurück, ohne in Kampfhandlungen verwickelt worden zu sein. Nach der Einnahme von Ras Lanuf stießen die Rebellen am Sonntag nach AFP-Berichten bis Mittag bis ins zwölf Kilometer weiter westlich gelegene Ben Dschawad vor.
Fox ortet entscheidenden Vorstoß
Die Aufständischen könnten nach Ansicht von Großbritanniens Verteidigungsminister Liam Fox bald in der Lage sein, die Kontrolle über die Ölexporte des Landes zu übernehmen. Damit könnten sie die „politische Dynamik“ des Konfliktes entscheidend ändern, wie Fox am Sonntag in einem BBC-Interview betonte.
Wenn sich die Aufständischen weiter entlang der Küste bewegten, hieße das, dass sie die libyschen Ölexporte in ihrer Kontrolle hätten. Dadurch könnte das Gleichgewicht in Libyen neu verteilt werden, sagte der Minister.
Gefolgsleute „schwenken um“
Nach dem Beginn der internationalen Angriffe wenden sich nach US-Angaben zudem immer mehr Gefolgsleute von Al-Gaddafi ab. Sie wisse von „zahlreichen Diplomaten und Armee-Oberen“, die „umschwenken, die Seiten wechseln oder desertieren, weil sie sehen, wie alles enden wird“, sagte US-Außenminister Hillary Clinton dem US-Fernsehsender CBS.
Verteidigungsminister Robert Gates sagte dem Sender, wenn „Mitglieder des Regimes ins Wanken“ gerieten, dürften die Auswirkungen „nicht unterschätzt“ werden.
Gates gab zudem zu bedenken, dass sich die Lage in Libyen destabilisierend auf die Nachbarstaaten Tunesien und Ägypten auswirken und die dortigen Umstürze „in Gefahr bringen“ könne. Der seit mehr als einer Woche andauernde Einsatz der internationalen Truppen unter der Führung der USA, Frankreichs und Großbritanniens gegen Al-Gaddafi sei daher richtig.
Erneut zahlreiche Luftschläge
Wie das Pentagon in Washington mitteilte, flog die Koalition unter Führung der USA, Frankreichs und Großbritanniens am Samstag insgesamt 160 Einsätze - 96 davon waren Angriffe, der Rest galt der Überwachung des Flugverbots.
Französische Kampfjets zerstörten außerdem mindestens fünf libysche Militärflugzeuge und Kampfhubschrauber der russischen Bauart Mil Mi-35. Damit hätten sie verhindert, dass Al-Gaddafis Luftwaffe in die Kämpfe um Misrata eingreifen hätte können, teilte das Verteidigungsministerium in Paris mit. Samstag und Sonntag hätten insgesamt rund 20 französische Flugzeuge in der Region mehrmals in das Geschehen eingegriffen, hieß es aus Paris.
Libysche Regierung: Viele zivile Opfer
Mussa Ibrahim, Sprecher der libyschen Regierung, erklärte, dass die Luftangriffe zahlreiche Opfer gefordert hätten, zumeist unbeteiligte Zivilisten. „Heute Nacht haben die Luftschläge unsere Nation erneut mit voller Wucht getroffen“, sagte er. „Wir verlieren viele Menschen - Soldaten und Zivilisten“, zitierte ihn al-Jazeera am Sonntag.
Obama will Al-Gaddafi zur Verantwortung ziehen
US-Präsident Obama hob „wichtige Fortschritte“ der internationalen Militäraktion gegen das Regime Al-Gaddafis hervor. „Gaddafi hat das Vertrauen seines Volkes sowie die Rechtmäßigkeit zur Herrschaft verloren“, sagte Obama in seiner wöchentlichen Rundfunkrede am Samstag. „Die Hoffnungen des libyschen Volkes müssen verwirklicht werden.“ Obama sprach sich dafür aus, Al-Gaddafi für das brutale Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung zur Verantwortung zu ziehen. Zugleich mahnte er ihn, die Angriffe auf Zivilisten zu stoppen. „Diejenigen, die für Gewalt verantwortlich sind, müssen haftbar gemacht werden“, forderte Obama.
Gates: Leichen an Angriffszielen platziert
Gates warf Al-Gaddafi vor, Leichen von Zivilisten an Angriffsorte der Koalitionsstreitkräfte legen zu lassen. Das sagte Gates in einem Interview des US-Fernsehsenders CBS. Geheimdienstberichte würden das beweisen, behauptete Gates und betonte, dass die Koalitionsstreitkräfte in Libyen „äußerst vorsichtig“ vorgehen würden.
London: Warnung vor Rache a la Lockerbie
Großbritanniens Justizminister Kenneth Clarke warnte vor einem Racheanschlag Al-Gaddafis im Stil des Lockerbie-Attentats. Großbritannien habe „guten Grund“, Gaddafi nicht mehr an der Macht sehen zu wollen, sagte Clarke in einem Interview der britischen Zeitung „The Guardian“ (Samstag-Ausgabe). „Die Menschen in Großbritannien haben einen Grund, sich an den Fluch Gaddafis zu erinnern - Gaddafi zurück an der Macht, der alte Gaddafi, der Rache sucht. Wir haben großes Interesse daran, das zu verhindern.“ Bei dem Attentat auf einen Pan-Am-Jumbo über dem schottischen Ort Lockerbie 1988 waren 270 Menschen ums Leben gekommen.
Der russische NATO-Botschafter Dimitri Rogosin warnte die Allianz vor einem großangelegten Krieg in Libyen. „Genau wie wir es vorausgesagt haben, wird die NATO tiefer und tiefer in einen Krieg in Nordafrika gezogen“, sagte Rogosin der russischen Nachrichtenagentur Interfax.
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