Sarkozy setzt sich in Szene
Die Resolution gegen Libyen im UNO-Sicherheitsrat hat Frankreich durchgeboxt, nun hat man das Kommando beim Militäreinsatz gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat sich in den vergangenen Woche wieder einmal als „Macher“ in der internationalen Politik in Szene gesetzt. Doch das Spiel Sarkozys ist riskant.
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Auch wenn sich die NATO schließlich zu einem Engagement gegen Libyen durchgerungen hat, wollte Sarkozy die politische Führung des Militäreinsatzes nicht aus der Hand geben. Die Maschinerie der NATO werde künftig zwar genutzt, die politische Koordination bleibe aber auf höchster Ebene bei den elf am Einsatz beteiligten Staaten angesiedelt, erklärte Sarkozy am Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel.
NATO übernimmt doch
Schließlich engagierten sich auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar, die nicht von der NATO kommandiert werden könnten. „Das würde sonst Gaddafi in die Hände spielen, wenn die NATO das Kommando übernähme und es keine Koalition mehr gäbe“, sagte Sarkozy.
Doch Sarkozy konnte sich nicht durchsetzen: Die NATO soll in Kürze die Leitung aller internationalen Militäraktionen in Libyen übernehmen. Man habe sich auch über das Kommando zum Schutz der Zivilbevölkerung geeinigt, sagte US-Regierungssprecher Jay Carney am Freitag in Washington. Zunächst hatte die „Koalition“ am späten Donnerstagabend lediglich beschlossen, das Kommando zur Überwachung der Flugverbotszone von den USA an die NATO zu übergeben.
Drohungen gegen weitere Regimes
Beim EU-Gipfel in Brüssel ging Sarkozy noch einen Schritt weiter: Er sorgte mit seiner Drohung an andere Diktatoren in der arabischen Welt für neue Aufregung. „Jeder Herrscher muss verstehen, und vor allem jeder arabische Herrscher muss verstehen, dass die Reaktion der internationalen Gemeinschaft und Europas von nun an jedes Mal die Gleiche sein wird“, sagte er mit Blick auf Syrien und andere Staaten.
„Wir werden an der Seite der Bevölkerung sein, die ohne Gewalt demonstriert.“ Sein Engagement für die Militäroperation in Libyen begründete er so: „Wenn die Koalition nicht gehandelt hätte, wäre die Bevölkerung von Bengasi Opfer eines Massakers geworden.“
Tunesien „verschlafen“
Dass Sarkozy sich derart einsetzt, hat auch damit zu tun, dass Frankreich die Freiheitsbestrebungen in der arabischen Welt anfangs verschlafen hatte - und mit Blick auf diese Region zuletzt keine besonders glückliche Figur machte: Die inzwischen geschasste Außenministerin Michele Alliot-Marie verbrachte ihre Weihnachtsferien in Tunesien und ließ sich von einem regierungsnahen Geschäftsmann zu Flügen im Privatjet einladen, während die Bevölkerung sich bereits gegen Machthaber Zine El Abidine Ben Ali erhob. Diese Versäumnisse versucht Frankreich jetzt wettzumachen.
Und die Überrumpelungstaktik ist aufgegangen: „Er hat es binnen einer Woche geschafft, die Situation politisch vollkommen zu drehen“, meinte Frankreich-Experte Stefan Seidendorf.
Kann Sarkozy bei Wählern punkten?
Sarkozy handelt freilich auch aus innenpolitischem Kalkül: Ein Jahr vor der Präsidentenwahl liegt er in Umfragen mit weniger als 30 Prozent Zustimmung sogar hinter der Chefin der rechtsextremen Front National, Marine le Pen. Seine Hoffnungen, mit der Präsidentschaft der G-8 und der G-20 national punkten zu können, haben sich bisher nicht erfüllt. Doch ob ihm das Engagement in Libyen tatsächlich die Gunst der Wähler bringt, bezweifeln Experten. Der Wahlkampf werde sich voraussichtlich vor allem um wirtschaftliche und sicherheitspolitische Themen drehen, glauben Beobachter.
Das Vorpreschen in Libyen könnte Sarkozy am Ende sogar schaden, falls aus der heroischen Hilfe für die libysche Zivilbevölkerung ein langer, zäher Konflikt werden sollte. „Es ist ein Lotteriespiel, auf das er sich eingelassen hat, und ich glaube, dass er es vor allem aus innenpolitischen Gründen getan hat“, sagte Jacques Reland vom Global Policy Institute.
Beziehungen belastet
Doch nicht nur in Frankreich selbst ist Sarkozy ein hohes Risiko eingegangen: Die Libyen-Krise treibt einen Keil zwischen Deutschland und Frankreich. Beim EU-Gipfel in Brüssel wurde deutlich, dass die Standpunkte der Regierungen in Berlin und Paris derzeit unversöhnlich sind.
Und auch ein anderer Konflikt schwelt weiter: Die Türkei setzt sich stark dafür ein, die NATO stärker in den Libyen-Einsatz einzubinden. Nun feiert Ankara den Beschluss als Sieg über seinen „Intimfeind“ Sarkozy. Der französische Präsident habe die NATO als Dienstleister für seine innenpolitisch motivierte Husarenpolitik in Libyen missbrauchen wollen, kommentierte eine Zeitung am Freitag.
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