Kein Frühstück für Champions
„Der Stolz von Lowell“ ist Dicky Eklund einst genannt worden, weil er den mehrfachen Boxweltmeister Sugar Ray Leonard k. o. geschlagen hat. Doch geblieben ist ihm nicht viel von seinem Kurzzeitruhm. Dicky macht längst nur noch mit Drogenexzessen und kriminellen Einfällen auf sich aufmerksam. Selber kann er nicht mehr gewinnen - doch sein Halbbruder Micky Ward soll seinen Traum leben.
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Der Film „The Fighter“ von Regisseur David O. Russell erzählt die wahre Geschichte der beiden ungleichen Brüder und deren Familie, die unter der Fuchtel der dominanten Mutter und Möchtegern-Managerin (Oscar-prämiert: Melissa Leo) stehen. Während Dicky für seine frühere Heldentat verehrt und seine offensichtliche Drogensucht konsequent ignoriert wird, erwarten Mutter, Vater und die sieben dick-dümmlichen Schwestern vom jüngeren Sohn Micky den großen Erfolg.

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Wahlberg und Russell haben bereits für den gefeierten Film „Three Kings“ zusammengearbeitet.
Die Krux des Genrefilms
Kaum ein Filmgenre - eventuell mit Ausnahme der romantischen Komödie - scheint strengeren (ungeschriebenen) Regeln und Klischees zu folgen als Boxfilme. So hält sich auch „The Fighter“ im Wesentlichen an die klassische Dramaturgie und erzählt das Märchen eines Underdogs aus armen Verhältnissen, der trotz widriger Umstände am Ende als Held dasteht. Familienprobleme, die großen Liebe zu einer Frau, die ihn aus dem Sumpf zieht (Amy Adams), verletzter Stolz, spannende Kämpfe und zerschlagene Gesichter komplettieren das vorhersehbare Paket.
Russell hat also zweifellos nicht versucht, mit „The Fighter“ das Rad neu zu erfinden. Aber ähnlich wie schon Clint Eastwood mit seinem prämierten Film „Million Dollar Baby“ ist es ihm gelungen, da und dort an der Schraube zu drehen und durch unterschiedliche Blickwinkel gerade an der Genrefalle vorbeizuschrammen und einen außergewöhnlichen Film zu produzieren.
Hoher Anspruch an Authentizität
Russell legte etwa bei der Verfilmung der wahren Geschichte sehr viel Wert auf Authentizität und setzt weniger auf große Filmeffekte als auf eine sehr klare Bildersprache und legt Wert darauf, Emotionen der Charaktere zu transportieren. Gefilmt wurde dafür hauptsächlich an Originalschauplätzen, für die gezeigten Boxkämpfe wurde ein Team des Senders HBO engagiert, das auch in Wirklichkeit für die Übertragung von derartigen Veranstaltungen verantwortlich ist.

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Wahlberg hat sich für die Dreharbeiten den Kampfstil von Micky Ward bis ins kleinste Detail angeeignet.
Körpersprache des Rollenvorbilds einstudiert
Wahlberg und Bale haben die Bewegungen und Mimik ihrer Rollenvorbilder bis ins kleinste Detail einstudiert. Drei Jahre soll Wahlberg für die körperlich höchst anspruchsvolle Rolle trainiert haben - ein Aufwand, der sich ausgezahlt hat. Als ruhiger Charakter hat er neben den Kollegen aber dennoch eine verhältnismäßig undankbare Rolle.
Oscar-Weihen:
„The Fighter“ wurde für insgesamt sechs Oscars nominiert (bester Film, beste Regie, bestes Originaldrehbuch, bester Schnitt und beste Nebendarsteller männlich und weiblich). Die Trophäe durften letztlich Christian Bale und Melissa Leo als beste Nebendarsteller mit nach Hause nehmen.
Ständig steht er im Schatten des tänzelnden und überdrehten Bale, der für den Film über 15 Kilo abnahm und Wahlberg über weite Strecken des Films nicht nur durch die Dominanz seiner Figur, sondern auch durch seine fesselnde Darstellung überspielt. Er ist es, der sowohl für die lustigen Momente zuständig, zugleich aber auch der tragische Charakter des One-Hit-Wonders der Boxgeschichte, der seinen einzigen großen Kampf nur gewonnen hat, weil sein Gegner ausgerutscht ist.
Komik lässt Pathos zerplatzen
Diese Komik ist es, die den Film gut ausbalanciert und einen angenehmen Rhythmus zwischen Pathos und Momenten auf dem Boden der Realität schafft. Obwohl die Geschichte bekannt ist, ist „The Fighter“ zu einem immer wieder auch überraschenden und bewegenden Drama geworden, ein Mix aus Familiengeschichte und Boxfilm, der durchaus auch für Nicht-Kampfsport-Fans sehenswert ist.
Sophia Felbermair, ORF.at
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