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Das System Al-Gaddafi

Die libysche Führung hat einem US-Bericht zufolge Teile der Kosten für die Entschädigung von Lockerbie-Hinterbliebenen auf Unternehmen in den USA abwälzen wollen. Mitarbeiter von Machthaber Muammar al-Gaddafi hätten US-Konzerne mit Geschäftsinteressen in Libyen vor allem im Energiebereich 2009 gedrängt, hohe Summen nach Libyen zu überweisen, berichtete die „New York Times“ („NYT“) am Donnerstag.

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Den Unternehmen sei mit „ernsten Konsequenzen“ gedroht worden, sollten sie der Bitte nicht nachkommen. Einige Unternehmen hätten tatsächlich Geld an Libyen gezahlt. Um ihre Isolierung zu beenden, hatte sich die libysche Führung zur Zahlung von 1,5 Milliarden Dollar an die Hinterbliebenen des Flugzeugattentats über dem schottischen Lockerbie im Jahr 1988 bereiterklärt.

Das Attentat soll von Libyens Geheimdienst ausgeführt worden sein. Die Lockerbie-Einigung hatte es in den vergangenen Jahren vielen Unternehmen ermöglicht, wieder in dem Land Geschäfte zu machen. Das Land erlebte einen Investitionsboom.

Auch Zahlungen bei Vertragsunterzeichnung

Die „New York Times“ beruft sich in ihrem Bericht über die Geldforderungen an US-Konzerne auf Informationen des US-Außenministeriums. In einem internen Ministeriumsbericht von Februar 2009 sei die Rede davon, dass sich viele Großunternehmen gegen die Zahlungen wehrten, „dass aber kleinere Unternehmen nachgeben und zahlen könnten“.

Welche Unternehmen Zahlungen leisteten, ist der Zeitung zufolge unklar. Das Blatt weist aber darauf hin, dass einige Großkonzerne bei Vertragsabschlüssen Geld zahlten. Der US-Ölkonzern Occidental Petroleum habe einen „Unterzeichnungsbonus“ von einer Milliarde Dollar an Libyen gezahlt. Der kanadische Konzern Petro-Canada sei ähnlich vorgegangen. Das US-Bauunternehmen Caterpillar hingegen verweigerte laut US-Diplomaten Zahlungen und sei daraufhin von Libyen blockiert worden, schreibt die „New York Times“.

Über 140 Tonnen Gold

Al-Gaddafi sitzt allerdings auch noch auf einem Berg von Gold. In der libyschen Zentralbank, die direkt unter Al-Gaddafis Kontrolle steht, sind angeblich 143,8 Tonnen Gold gelagert. Damit könnte er jetzt den Krieg gegen seine eigenen Landsleute und den Westen führen. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) gehören die Goldreserven zu den 25 höchsten der Welt und sind zum gegenwärtigen Goldpreis rund 6,5 Milliarden Dollar wert - genug, um eine Söldnerarmee monate- oder gar jahrelang zu finanzieren, berichtete die „Financial Times“ („FT“). Schätzungen zufolge könnte das Goldvermögen Al-Gaddafis sogar noch größer sein.

Verstecktes Geld aus Ölgeschäft

Al-Gaddafi könnte aber Devisenreserven aus dem Ölgeschäft außerhalb der gewöhnlichen Kanäle gehortet haben und noch nicht gezwungen sein, seine Goldreserven anzutasten. Laut einem Bericht der „New York Times“ hat der Diktator auch Bargeldreserven in Höhe von vielen Milliarden Dollar angelegt, die ihn weitgehend immun gegen die internationalen Finanzsanktionen machen könnten. Al-Gaddafi habe „wahrscheinlich Dutzende Milliarden Dollar in bar, zu denen er innerhalb Libyens Zugang hat“, zitierte die Zeitung einen Vertreter der US-Geheimdienste. Das Geld sei bei der libyschen Zentralbank und anderen Banken in Tripolis gelagert.

EU versucht Druck zu erhöhen

Der EU-Gipfel in Brüssel drohte Libyen am Donnerstag mit weiteren Sanktionen. „Die Europäische Union ist bereit, weitere Sanktionen zu initiieren und zu beschließen, einschließlich Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Öl- und Gaseinkommen nicht das Al-Gaddafi-Regime erreichen“, heißt es in einer vom Gipfel angenommenen Erklärung. Die EU-Staaten würden entsprechende Vorschläge auch dem UNO-Sicherheitsrat unterbreiten.

Die EU-Staaten hatten erst am Mittwoch in Brüssel eine Ausweitung der Sanktionen gegen das Regime beschlossen. Auch die National Oil Corporation (NOC) sei enthalten, sagten Diplomaten. Die Guthaben der Ölgesellschaft sowie „mehrerer Tochterfirmen“ in Europa wurden demnach eingefroren und Geschäftsbeziehungen verboten. Die NOC ist unter anderem Partner der Ölgeschäfte der österreichischen OMV in Libyen.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Unterdessen kündigte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) die baldige Beantragung mehrerer Haftbefehle wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Libyen an. Louis Moreno-Ocampo sagte der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag in Kairo, sein Team ermittle in sieben Fällen wegen der Tötung unbewaffneter Zivilisten durch libysche Sicherheitskräfte zu Beginn der Proteste gegen Al-Gaddafi zwischen Mitte und Ende Februar.

Die Ermittler versuchten nun herauszufinden, wer für die Taten verantwortlich sei, sagte der Staatsanwalt, der sich in Kairo zu Gesprächen mit Vertretern der ägyptischen Behörden und der Arabischen Liga aufhielt. Der UNO-Sicherheitsrat hatte am 26. Februar das Gericht mit Ermittlungen zu Libyen beauftragt. Am 3. März gab Moreno-Ocampo dann die Eröffnung eines Verfahrens gegen Al-Gaddafi und seine Söhne wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit bekannt.

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