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Schwachstelle Informationsmanagement

Wenn Krisen im Ausmaß der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe in Japan auftreten, versagt das Informationsmanagement. Davon ist der Experte Gerhard Grossmann von der Forschungsstelle für Krisen- und Katastrophenmanagement an der Karl-Franzens-Universität Graz überzeugt. Das sei eine Erkenntnis aus Beispielen der vergangenen Jahre. „Es ist unglaublich, wie sehr das eine Schwachstelle ist.“

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In der Theorie gelte es in Katastrophenfällen schlicht, „die Karten auf den Tisch zu legen“, also „offensiv die Wahrheit sagen und diese auch kommentieren“. So bleibe die Glaubwürdigkeit gewahrt, und es werde die Gefahr ausgeschaltet, „dass sich die Betroffenen selbst Szenarien zusammendenken“, die die tatsächlichen Ereignisse übersteigen würden. „Da können apokalyptische Gedanken kommen, die dann sehr kontraproduktiv sind.“

Massenpanik verhindert

In Sachen „offensives Informationsmanagement“ habe die japanische Regierung vielleicht nicht perfekt gehandelt, meint der Wissenschafter. Allerdings müsse berücksichtigt werden, dass es angesichts der außergewöhnlich dramatischen Situation in Japan bei der Informationsweitergabe auch darum gegangen sei, „möglichst zu beruhigen und keine Hektik aufkommen zu lassen“.

Das habe in der „situativen Begebenheit“ auch einigermaßen funktioniert. „Es gab keine Massenpaniken“, schätzt Grossmann die Lage aus der Distanz durchaus positiv ein. Auch die „Fluchtbewegungen“ hätten zu keinem Verkehrskollaps geführt. „Das sind schon gute Zeichen.“

Bis zur „offensiven Kapitulation“

Probleme beim Informationsmanagement in Katastrophenfällen würden fast immer in drei Phasen auftreten, so der Soziologe. Zuerst heiße es, dass „alles nicht so dramatisch ist, wie es ausschaut“. Dann komme „die Zeit, wo man Teile zugibt und dabei schon an Glaubwürdigkeit verliert“. Als dritter Punkt trete dann die „offensive Kapitulation“ auf: „Es müsse eingestanden werden, dass die Situation aus dem Ruder gelaufen ist.“

Dann werde aber von den Betroffenen hinterfragt, ob die bisher gelieferten Informationen überhaupt „stimmen“. Als Folge könne die „progressive Divergenz“ auftreten: „Die offizielle Information und die eigene Strategie passen nicht mehr zusammen, die subjektive Einschätzung der Lage und die getroffen Rettungsmaßnahmen klaffen auseinander.“

Sonderfall Japan?

Im Fall Japans sei aber auch von Vorteil gewesen, dass die Bevölkerung durch ihren soziohistorischen Hintergrund gut auf Katastrophenszenarien vorbereitet sei. Das Potenzial zur Selbsthilfe sei entsprechend groß, so der Katastrophenforscher. Die Schaffung eines ähnliches Bewusstseins werde derzeit mit einem Versuchsprojekt in der Steiermark angestrebt.

Die Bevölkerung werde vorbeugend laufend mit Informationen versorgt. „Da geht es hauptsächlich um Hochwasser“, so Grossmann. Prinzipiell sei Österreich für die „Mehrheit“ der potenziellen Zwischenfälle „gerüstet“ und der Katastrophenschutz „gut aufgestellt“.

Kurzes Katastrophengedächtnis

Sorge bereitet Grossmann indes die Tatsache, dass „das Katastrophengedächtnis sehr kurz ist“. „Wer redet heute noch vom Erdbeben in Neuseeland?“ Die sozialen Folgeerscheinungen seien jedoch meist sehr langfristig. Das gelte für die Opfer der Tsunamikatastrophe in Südostasien vor sieben Jahren ebenso wie für Hochwasseropfer in Österreich.

„Es trifft ja oft Leute, die sozioökonomisch nicht gut aufgestellt sind. Dann kann es zum Verlust des Arbeitsplatzes, der Familienstruktur und damit zu Armut kommen. Das wird ohne ein starkes soziales Auffangnetz zu einem Riesenproblem, wenn man das im Nachhinein nicht interventionsmäßig besser betreut“, betont Grossmann.

Link:

  • Uni Graz (Forschungsstelle Krisen- und Katastrophenmanagement)