Rucksäcke mit Notrationen
Rund zehn Tage nach dem verheerenden Beben im Norden Japans wird das Ausmaß der Katastrophe immer deutlicher. Ganze Landstriche gleichen einem Trümmerfeld, unter dem nach wie vor Tausende Todesopfer vermutet werden. Ein Großteil von ihnen dürfte nach dem Beben zwar Vorbereitungen für eine Flucht getroffen haben - war aber gegen die darauffolgende 20-Meter-Welle chancenlos.
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Darauf verweisen die jüngsten Erkenntnisse der Universität Chiba. Rund 90 Prozent der Todesopfer aus der durch den Tsunami vernichteten Stadt Rikuzentakata seien demnach ertrunken. Wie der Gerichtsmediziner Hirotaro Iwase gegenüber der japanischen Zeitung „Yomiuri Shimbun“ sagte, dürfte sich ein Großteil der Opfer bereits auf der Flucht befunden oder diese zumindest vorbereitet haben.
Darauf deute der Inhalt der Rucksäcke, etwa Krankenversicherungskarten, Fotoalben und Notfallrationen, die bei vielen Opfern gefunden wurden. Das zeige, dass sich die Menschen nach dem starken Erdstoß darauf vorbereitet hätten, vor der Flutwelle zu fliehen.
Welle mindestens 23 Meter hoch
Einer Studie zufolge dürfte die Tsunami-Welle mit mindestens 23 Meter Höhe zudem weit höher gewesen sein als zunächst vermutet. Das habe am Freitag eine Studie des Forschungsinstituts der Hafenbehörde unter Auswertung von eigenen Messungen und GPS-Daten ergeben, berichtete „Yomiuri Shimbun“. Konkret sei die Wellenhöhe in Ofunato in der Präfektur Iwate gemessen worden, wo das Wasser ganze Siedlungen mitriss. Die höchste jemals registrierte Tsunami-Welle in Japan gab es alten Aufzeichnungen zufolge 1896 mit 38 Metern.
Polizei rechnet mit über 18.000 Toten
Japans Behörden gehen unterdessen von einem weiteren Anstieg der Zahl der Todesopfer aus. Die Polizei rechnet inzwischen mit mehr als 18.000 Toten. Bisher wurden mehr als 8.800 Leichen geborgen und identifiziert. 12.654 Menschen gelten noch als vermisst, wie die nationale Polizeibehörde am Montag mitteilte.
Ein Sprecher der Polizei der Präfektur Miyagi sagte, allein in seinem Bereich rechne man mit mehr als 15.000 Toten. Sprecher anderer verwüsteter Regionen wollten keine Schätzung über die Zahl der Toten abgeben, bestätigten aber, dass bei ihnen bisher fast 3.400 Leichen geborgen worden seien.
Große Herausforderung für Helfer
Von apokalyptischen Szenen berichteten Helfer im Gebiet rund um die vom Tsunami schwer getroffene Hafenstadt Sendai. Starke Schneefälle behinderten die Helfer und verstärkten das Leiden der wenigen, vor allem älteren, Menschen, die in der verwüsteten Gegend geblieben sind.
Ungeachtet der schwindenden Hoffnung werden auch in Sendai die Trümmerfelder weiterhin nach Überlebenden durchsucht. Geborgen werden allerdings nur noch Leichen. „Der starke Leichengeruch und das schmutzige Meerwasser machen die Suche extrem schwierig“, sagte Yin Guanghui, Mitglied einer chinesischen Rettungsmannschaft in der Stadt Ofunato. „Der Tsunami hat mit starken Wellen wiederholt die Häuser getroffen. Wer unter Trümmern gefangen war, ist wohl in kurzer Zeit ertrunken, ohne eine Überlebenschance gehabt zu haben.“
Situation in Notlagern weiter angespannt
Weiter schwierig bleibt die Lage der Tsunami-Opfer in den Notunterkünften. Zehn Tage nach Erdbeben und Tsunami harren rund 350.000 Menschen weiter in Notunterkünften aus. Vielerorts mangelt es an Heizöl, um die Menschen gegen die Kälte zu schützen.
Inzwischen gebe es nach Angaben der Hilfsmannschaften aber erste Fortschritte bei der Versorgung der Opfer in der Unglücksregion. So sind Räumfahrzeuge dabei, Zufahrtsstraßen wieder passierbar zu machen. Auch einzelne Autobahnabschnitte sind wieder für den Verkehr geöffnet. In einzelnen Notlagern funktioniert auch die Wasserversorgung wieder.
Lieferverbot für Milch
Erschwerend kommen aber die Auswirkungen der Atomkatastrophe in Fukushima hinzu. Aufgrund der gestiegenen radioaktiven Strahlung verhängte die Regierung etwa in vier Präfekturen ein Lieferverbot für Milch und mehrere Gemüsesorten. Ein komplettes Dorf in der Fukushima-Region darf zudem kein Leitungswasser mehr trinken. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist über die Belastung von Lebensmitteln „stark besorgt“, wie ein WHO-Sprecher in Genf sagte.
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