„Geständnis“ zwei Wochen vor Unglück
Knapp zwei Wochen vor dem schweren Erdbeben hat der japanische Energieriese TEPCO in einem Schreiben an die Aufsichtsbehörde eingeräumt, am später havarierten Atomkraftwerk Fukushima I regelmäßige Kontrollen unterlassen zu haben.
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Insgesamt 33 Ausrüstungsgegenstände seien nicht untersucht worden, teilte TEPCO am 28. Februar in einem Bericht an die Aufseher mit, der am Montag auf der Website des Unternehmens einzusehen war. Zu den nicht inspizierten Teilen gehörten ein Motor und ein Notstromaggregat im Reaktorblock 1 der Anlage, die nach dem Tsunami immer noch nicht unter Kontrolle ist. Der Ausfall der Notstromversorgung gilt als Ursache für das Reaktorunglück.
Aufsichtsbehörde sah kein Problem
Insgesamt seien in allen drei Anlagen mehr als 400 Geräte und Maschinen nicht wie vorgeschrieben inspiziert worden, hieß es Ende Februar in einem Bericht von TEPCO an die Aufsichtsbehörde NISA. Die meisten Mängel wurden laut der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo im Kraftwerk Kashiwazaki-Kariwa in der Präfektur Niigata festgestellt.
Die NISA gab TEPCO bis zum 2. Juni Zeit, einen Korrekturplan auszuarbeiten. In ihrem Schreiben vom 2. März äußerte sich die Behörde überzeugt, dass die ausgefallenen Inspektionen kein unmittelbares Risiko für die Sicherheit des aus den 1970er Jahren stammenden Atomkraftwerks haben würden. Die Firma habe versichert, dass die Untersuchungen in Kürze nachgeholt würden. Das Schreiben der für ihre engen Kontakte zur Industrie in die Kritik geratenen Atomaufseher war auf ihrer Website nachzulesen.
Versäumnisse der Verantwortlichen
Der stellvertretende Behördenchef Hidehiko Nishiyama sagte am Montag, ihm sei der Schriftverkehr mit TEPCO nicht bekannt. Er könne nicht sagen, ob die unterlassenen Kontrollen das Reaktorunglück verschärft hätten.

AP/Eugene Hoshiko
Das TEPCO-Management stellte sich zuletzt am 13. März der Öffentlichkeit.
Als Grund für die Mängel bei der Überprüfung nannte TEPCO unter anderem Versäumnisse der Verantwortlichen. Außerdem sei die Inspektionsliste sehr umfangreich. In einer Anlage müssten einige zehntausend Maschinen und Geräte überprüft werden. Das solle in Zukunft systematischer erfolgen, zitierte Kyodo den Betreiber. TEPCO musste sich auch schon früher gegen Vorwürfe verteidigen. So räumte die Firma ein, Berichte über Schäden jahrelang gefälscht zu haben.
Fukushima: Situation weiter „sehr ernst“
Unterdessen gab es keine Entwarnung in Fukushima I: Über zwei Blöcken des havarierten Atomkraftwerks stiegen am Montag erneut Rauch und Dampf auf. Zuerst qualmte es über Block 3 von Fukushima I, später auch über Block 2, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete. TEPCO zog die Arbeiter vom betroffenen Gelände vorübergehend ab. „Insgesamt bleibt die Situation sehr ernst. Es gibt aber einige Anzeichen einer Verbesserung der Lage“, sagte IAEA-Generaldirektor Yukiya Amano am Nachmittag bei einer Pressekonferenz in Wien.
Erst am späten Sonntag war es gelungen, die Schaltanlagen von Block 1 und 2 wieder an die Stromversorgung anzuschließen. So soll die Reaktorkühlung wiederhergestellt werden - allerdings ist unklar, ob die Kühlwasserpumpen überhaupt noch funktionieren. Wasserwerfer beschossen die Abklingbecken von Block 3 und 4 am Montag stundenlang mit Meerwasser, um die ausgedienten Brennstäbe zu kühlen.
In den Abklingbecken lagern die abgebrannten Elemente, bis ihre Nachzerfallswärme weit genug zurückgeht - in der Regel dauert das mehrere Jahre. Ohne Kühlung heizen sich die alten Brennstäbe auf, können schließlich zerstört werden und Radioaktivität freisetzen.
Rauch: Ursache unbekannt
Über dem Abklingbecken von Block 3 wurde am Montag gegen 16.00 Uhr (Ortszeit) grauer Rauch gesichtet. Die Arbeiten zum Anschluss des von einer Wasserstoffexplosion schwer beschädigten Reaktorgebäudes an das Stromnetz wurden kurzfristig gestoppt. Gegen Abend (Ortszeit) wurde der Rauch dünner, wie Kyodo berichtete. Die Ursache sei unbekannt, es sei jedoch unwahrscheinlich, dass eine Anomalie im Abklingbecken der Auslöser gewesen sei, zitierte die Agentur einen Sprecher der Atomsicherheitsbehörde (NISA). Die Radioaktivität sei nicht „dramatisch“ gestiegen.
Reaktor 3 besonders gefährlich
Block 3 des Katastrophenkraftwerks gilt als besonders gefährlich, da er Brennstäbe aus einem Plutonium-Uran-Mischoxid (MOX) benutzt. Plutonium ist nicht nur radioaktiv, sondern auch hochgiftig. Die Brennstäbe im Reaktorkern liegen nach Regierungsinformationen ganz oder teilweise frei, der Sicherheitsbehälter (Containment) gilt aber als intakt. Der Druck im Sicherheitsbehälter war am Wochenende besorgniserregend gestiegen, halbierte sich den Angaben zufolge jedoch in der Nacht auf Montag wieder. Nächstes Ziel der Helfer für diesen Block ist, die Stromversorgung wiederherzustellen.
Nach dem grauen Rauch an Block 3 stieg am Montag weißer Dampf bei Block 2 auf. Auch hier war die Ursache unbekannt, es sei jedoch unwahrscheinlich, dass der Dampf aus dem Abklingbecken dieses Blocks komme, hieß es von TEPCO. Bei dem Becken wurde Sonntagnachmittag mit der Einspeisung von Meerwasser begonnen. Im Sicherheitsbehälter dieses Reaktorblocks wird ein Leck vermutet. Auch hier liegen die Brennstäbe im Reaktorkern ganz oder teilweise frei. Block 5 und 6 gelten seit Sonntagnachmittag als „kalt und unterkritisch“, also gesichert.
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