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Einige Arbeiter abgezogen

Alle sechs Reaktorblöcke des japanischen Unglückskraftwerks Fukushima haben nach Angaben der Betreiberfirma TEPCO wieder Strom. Zuletzt seien die besonders schwer beschädigten Blöcke 3 und 4 wieder angeschlossen worden, teilte das Unternehmen am Montagnachmittag (Ortszeit) mit.

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Im Reaktor 5 arbeite eine Pumpe bereits wieder mit Elektrizität aus dem Netz. Der Strom wird dazu benötigt, die Kühlsysteme der Reaktoren wieder in Gang zu bringen. Unterdessen scheint es allerdings erneut Schwierigkeiten zu geben. Der japanische Fernsehsender NHK berichtete am Montagnachmittag (Ortszeit), es sei zu sehen, dass grauer Rauch vom besonders schwer beschädigten Block 3 des Kraftwerks aufsteige. TEPCO bestätigte, dass infolge der Rauchentwicklung einige Arbeiter von dem AKW abgezogen worden seien. Um wie viele Arbeiter es sich handelte, war zunächst nicht klar. Der Rauch verschwand allerdings wieder bis zum frühen Abend (Ortszeit).

Rauch aus Reaktor 2

Anschließend stieg über dem havarierten Reaktor 2 am Montag Rauch auf. Das berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. Der Reaktor 2 ist seit Sonntag wieder an das Stromnetz angeschlossen. Ob die Wasserpumpen funktionieren, ist unklar. In Reaktor 2 gab es zuvor schwere Explosionen und Brände. Die innere Hülle des Reaktors ist beschädigt.

Vor allem der Druck in Reaktor 3 - in dem die Kerne mit dem besonders giftigen Plutonium-Uran-Mischoxid (MOX) gefüllt sind - macht den Experten sorge. Obwohl der Block bis Sonntagfrüh 13 Stunden lang unter dem Beschuss von Wasserwerfern stand, war der Druck gestiegen. Das Kühlsystem in Block 3 ist ausgefallen, die innere Reaktorhülle soll nach Regierungsangaben aber noch intakt sein.

Brisantes Schreiben aufgetaucht

Knapp zwei Wochen vor dem schweren Erdbeben hatte TEPCO in einem Schreiben an die Aufsichtsbehörde eingeräumt, am später havarierten Atomkraft Fukushima regelmäßige Kontrollen unterlassen zu haben. Insgesamt 33 Ausrüstungsgegenstände seien nicht untersucht worden, teilte TEPCO am 28. Februar in einem Bericht an die Aufseher mit, der am Montag auf der Website des Unternehmens einzusehen war.

Zu den nicht inspizierten Teilen gehörten unter anderem ein Motor und ein Notstromaggregat im Block 1 der Anlage. Der Ausfall der Notstromversorgung gilt als Ursache für das Reaktorunglück. Die Atomaufsicht gab TEPCO bis 2. Juni Zeit, einen Korrekturplan auszuarbeiten. In ihrem Schreiben vom 2. März äußerte sich die Behörde überzeugt, dass die ausgefallenen Inspektionen kein unmittelbares Risiko für die Sicherheit des aus den 1970er Jahren stammenden Atomkraftwerks darstellen würden.

Die Firma habe versichert, dass die Untersuchungen in Kürze nachgeholt würden. Das Schreiben der für ihre engen Kontakte zur Industrie in die Kritik geratenen Atomaufseher war auf ihrer Website nachzulesen. Der stellvertretende Behördenchef Hidehiko Nishiyama sagte am Montag, ihm sei der Schriftverkehr mit TEPCO nicht bekannt. Er könne nicht sagen, ob die unterlassenen Kontrollen das Reaktorunglück verschärft hätten.

Experte: Männern droht Strahlentod

Vielen der in Fukushima I seit Tagen arbeitenden Techniker droht nach Überzeugung eines Atomexperten der akute Strahlentod. Rund die Hälfte der Männer in Fukushima I, mehrere Dutzend sind offenbar im Einsatz, könnten an der Strahlenkrankheit sterben, so der Strahlenbiologe Edmund Lengfelder.

„Zuerst wird es den Menschen übel und schwindlig“, sagte er der „Frankfurter Rundschau“ (Montag-Ausgabe). Dann würden „lebenswichtige Funktionen“ zusammenbrechen. Zwar würden die Erkrankten noch „eine Weile“ auf Intensivstationen behandelt. „Sie werden aber in der Regel nicht mehr gesund.“ Bei den übrigen Technikern in der Anlage, die seit Tagen versuchen, die Reaktoren zu kühlen und so eine atomare Katastrophe zu verhindern, sinke die Leistungsfähigkeit, und „ihr Krebsrisiko steigt massiv“.

Es sei seit Tschernobyl bestätigt, dass bei einer Strahlendosisleistung von 400 Millisievert pro Stunde wie in Fukushima die Hälfte jener Menschen, die einer solchen Strahlung zwölf Stunden ausgesetzt sind, „den akuten Strahlentod sterben“, so Lengfelder. Der Kraftwerksbetreiber TEPCO betonte allerdings zuletzt, die Techniker würden nur kurze Zeit, etwa 20 Minuten, in dem Strahlungsbereich arbeiten. Allerdings ist unklar, welche Arbeiten die Techniker bei solchen Minischichten überhaupt erledigen können.

Vermutlich keine Inbetriebnahme mehr

Die Blöcke 5 und 6 haben laut TEPCO keinen großen Schaden davongetragen. Theoretisch könnten sie deswegen wieder in Betrieb genommen werden. „Mit Blick auf die Gefühle der Anrainer wäre es allerdings schwierig, den Betrieb wieder aufzunehmen. Die Entsorgung aller sechs Reaktoren ist daher unvermeidlich“, wurde ein TEPCO-Mitarbeiter von „Asahi Shimbun“ zitiert.

Am Sonntag hatte Regierungssprecher Yukio Edano die Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerks als nahezu unmöglich bezeichnet. Laut der Zeitung soll zudem der Bürgermeister der Stadt Koriyama in der Präfektur Fukushima, Masao Hara, Wirtschaftsminister Banri Kaieda darum gebeten haben, Fukushima I nicht mehr in Betrieb gehen zu lassen.

Moody’s: Japan kann Wiederaufbau stemmen

Japan kann die enormen Kosten für den Wiederaufbau der durch das Jahrhundertbeben zerstörten Infrastruktur nach Einschätzung der Ratingagentur Moody’s stemmen. „Die japanische Regierung hat die finanzielle Kraft und Kreditwürdigkeit, um mit der Katastrophe fertig zu werden“, sagte Moody’s-Experte Thomas Byrne am Montag. Die Kosten dürften doppelt so hoch ausfallen wie nach dem schweren Erdbeben von Kobe 1995. Experten schätzen den Schaden auf mehr als 170 Mrd. Euro. Die Regierung hat bereits ein Nachtragsbudget angekündigt, das zu einem Großteil über neue Schulden finanziert werden dürfte.

Moody’s bewertet die Bonität des Landes derzeit mit der Note „Aa2“. Japanische Staatsanleihen gelten damit als „sichere Anlage“, obwohl die Schulden die jährliche Wirtschaftsleistung um das Doppelte übertreffen.

Verstrahlung als größtes Problem

Moody’s schließt nicht aus, dass die Wirtschaft schlimmer unter den Katastrophenfolgen leiden wird als bisher angenommen. Gelinge es nicht, das Ausbreiten der radioaktiven Strahlung auf den Umkreis des Atommeilers von Fukushima zu begrenzen, könnte ein drastischer Rückgang des Konsumentenvertrauens die Wirtschaft stark belasten. „Wenn das verbunden ist mit Stromausfällen, die die Wiederaufnahme der Produktion auf Vorkrisenniveau deutlich verzögern können, dürfte die Wirtschaft im Gesamtjahr schrumpfen“, sagte Byrne. Wegen der enormen Investitionen in den Wiederaufbau könne das Bruttoinlandsprodukt ab dem zweiten Halbjahr aber wieder zulegen.

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