Themenüberblick

„Kein Beschuss weiterer Zivilisten“

Der Chef der Arabischen Liga, Amr Mussa, hat das Vorgehen der internationalen Streitkräfte in Libyen kritisiert. Die Luftangriffe dienten nicht dem vereinbarten Ziel, eine Flugverbotszone über dem Land durchzusetzen, sagte Moussa am Sonntag vor Journalisten in der ägyptischen Hauptstadt Kairo.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Wir wollen Schutz für die Zivilbevölkerung und keinen Beschuss weiterer Zivilisten“, fügte er hinzu. Die Streitkräfte Frankreichs, Großbritanniens und der USA bombardierten am Wochenende Dutzende Ziele in Libyen. Mit dem Militäreinsatz will die internationale Koalition die Gewalt der Truppen von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi gegen die Aufständischen und die Zivilbevölkerung stoppen. An dem Einsatz auf Grundlage der UN-Resolution 1973 sind auch Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligt.

Vor gut einer Woche hatte sich die Arabische Liga bei einem Krisentreffen zu Libyen für die Einrichtung einer Flugverbotszone ausgesprochen. Die Außenminister forderten den UN-Sicherheitsrat auf, „seiner Verantwortung gerecht zu werden und die notwendigen Maßnahmen zur sofortigen Einrichtung einer Flugverbotszone zu ergreifen“. Diese Flugverbotszone solle weitere Angriffe der libyschen Luftwaffe auf die Aufständischen im Land verhindern.

US-Generalstabschef spricht von „Erfolg“

Die erste Phase der internationalen Militäroperation gegen Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi war laut US-Generalstabschef Mike Mullen „erfolgreich“. Innerhalb eines Tages habe man die Flugverbotszone über dem Land „praktisch durchgesetzt“, sagte Mullen am Sonntag in einem TV-Interview.

Kein libysches Flugzeug und kein libyscher Hubschrauber befinde sich mehr in der Luft, so Mullen. Auch sei die Flugabwehr durch den massiven Erstschlag - es wurden über 120 Tomahawk-Raketen abgefeuert - „ausgeschaltet“. Zugleich warnte Mullen vor verfrühten Hoffnungen: Man stehe erst am Anfang der Offensive, sagte er in der US-Sendung „Meet The Press“.

Berichte über getötete Zivilisten dementiert

Al-Gaddafi solle sich „langsam Sorgen über seine Zukunft“ machen, erklärte Mullen - fügte aber im selben Atemzug hinzu, dass der Schlag nicht darauf abziele, den Diktator aus dem Amt zu jagen, sondern gemäß der UNO-Resolution 1973 nur die libysche Bevölkerung vor Al-Gaddafis Truppen schützen solle. Libysche Angaben über Dutzende tote Zivilisten wies Mullen zurück. Er wisse von keinem einzigen getöteten Zivilisten.

Gegen Al-Gaddafis Einheiten geht die Allianz jedoch ohne Schonung vor. Augenzeugen berichteten von einem Bild der Zerstörung, das die Angriffe in den Stellungen hinterließen, die die Rebellenhochburg Bengasi umgaben. Zerstörte Fahrzeuge und Leichen säumten demnach den Weg nach Bengasi, noch Stunden nach der Attacke seien immer wieder Munitionsbestände explodiert.

Libysche Offensive in Misrata dauert an

Al-Gaddafis Einheiten hatten die Offensive auf Bengasi bis zuletzt offenbar mit äußerster Brutalität geführt. Seit Freitagabend war die Stadt unter schwerem Artilleriefeuer gelegen. Allein am Freitag und Samstag sollen dabei 90 Menschen ums Leben gekommen sein. Tausende Einwohner flohen vor den Kämpfen. Augenzeugen berichteten, die Einheiten Al-Gaddafis hätten wahllos auf Wohnviertel geschossen.

Noch am Sonntag setzten Al-Gaddafi-Truppen ihre Angriffe auf das von ihnen eingeschlossene Misrata, die drittgrößte Stadt des Landes, fort. Auch hier gab es Berichte von Artillerieangriffen auf Wohngebiete und von Scharfschützen, die auf Hausdächern im Stadtzentrum postiert seien, um „auf alles zu feuern, was sich bewegt“.

Belgien befürchtet „große Zahl an Opfern“

Die Militärschläge der westlichen Allianz, die vor allem von Einheiten der USA, Großbritanniens und Frankreichs getragen waren, dauerten den ganzen Sonntag über an. Der Einsatz, der in der Nacht zum Freitag vom UNO-Sicherheitsrat genehmigt worden war, soll Al-Gaddafi zur Beendigung seiner Offensive gegen die Aufständischen zwingen. Es handelt sich um die größte Militärintervention in der arabischen Welt seit dem Irak-Krieg im Jahr 2003.

Neben Stimmen aus dem Militär gibt es allerdings auch immer mehr Mahnungen aus der Politik, dass man sich keine Hoffnungen auf ein schnelles Ende der Kampfhandlungen machen solle. Belgiens Verteidigungsminister Pieter de Crem schloss am Sonntag im belgischen Radio nicht aus, dass die Operation „eine große Zahl an Opfern“ bringen könnte. Belgien beteiligt sich an dem Einsatz u. a. mit Kampfbombern des Typs F16.

Ein zweites Afghanistan?

De Crem sprach von einem „riskanten Einsatz“. In Libyen gehe es nicht um Hilfsmaßnahmen, sondern um einen Militärschlag. Belgische Soldaten müssten dafür Waffen einsetzen. „Das Ziel ist der Abgang des Gaddafi-Regimes und der Aufbau einer würdigen Gesellschaft für das libysche Volk“, erklärte De Crem. Deshalb müsse die westliche Präsenz auch nach dem Ende des Militärschlags andauern, „damit die Operation nicht umsonst war“.

Links: