Strasser bleibt bei Verteidigungslinie
Der bisherige Leiter der ÖVP-Delegation im Europaparlament, Ernst Strasser, soll gegenüber vorgeblichen Lobbyisten zugestimmt haben, gegen Bezahlung eines jährlichen Gehalt von 100.000 Euro Gesetze und Änderungsanträge im EU-Parlament einzubringen. Auch zwei weitere EU-Parlamentarier sollen als Lobbyisten auftretenden Reportern der britischen „Sunday Times“ auf den Leim gegangen sein.
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Die Reporter hätten entsprechende Unterredungen mit Strasser auf Video aufgezeichnet, berichtete die Zeitung. Bereits zuvor hatten zwei bisherige Fraktionskollegen Strassers im EU-Parlament - Othmar Karas und Hella Ranner - dem ehemaligen Innenminister vorgeworfen, die Einbringung eines Änderungsvorschlags zum Anlegerschutzgesetz urgiert zu haben. Den Reportern der „Sunday Times“ gegenüber soll er gesagt haben, es sei ein Kompromiss darüber mit „zwei wesentlichen Leuten“ erreicht worden.
Keine Zeit für Information der Polizei?
Strasser sagte - vor seinem Rücktritt - am Sonntag gegenüber der APA, er sei mit den vorgeblichen Lobbyisten in Kontakt geblieben, um sie ausforschen zu können. Auf die Frage, warum er auf die Vorschläge der Reporter eingegangen sei, sagte er: „Ich habe die Leute angefüttert.“ Strasser will seit 7. Juli 2010 gewusst haben, dass die Firma kein echtes Lobby-Unternehmen sei. Er habe aber mitgespielt, um die vorgeblichen Lobbyisten bei der österreichischen Staatspolizei zur Anzeige bringen zu können.
„Anfang März habe ich Unterlagen bekommen - einen Vertragsentwurf -, mit diesem wollte ich zur Staatspolizei gehen“, so Strasser. Er sei jedoch in der Folge aus „terminlichen Gründen verhindert“ gewesen. Eine schriftliche Einbringung der Anzeige habe er nicht machen wollen. „Ich wollte den Chef der Staatspolizei selbst sprechen“, sagte Strasser.
Strasser verweist in Video auf „Kunden“
Strasser erwartete laut dem Bericht der „Sunday Times“ die erste Tranche seines Lobbying-Gehalts - 25.000 Euro - bereits für Anfang März. Das Geld solle nicht an ihn direkt ergehen, sondern an eine seiner Wiener Firmen überwiesen werden. „Ich bin ein Lobbyist“, sagte Strasser laut „Sunday Times“ in dem auf Video aufgezeichneten Gespräch mit den als Lobbyisten getarnten Journalisten. Als solcher bediene er „mehr als fünf Kunden“, von denen jeder ihm mehr als 100.000 Euro jährlich bezahle, wurde Strasser zitiert.
Auf Nachfrage der APA am Sonntag verneinte Strasser solche Lobby-Tätigkeiten. „Ich hatte nie Lobby-Kunden, weder in Brüssel noch in Wien.“ Parteiinterne Vorwürfe, es gebe in der Sache Aufklärungsbedarf, wies Strasser zurück. „Das ist eine politische Kampagne gegen mich.“ Auch scharfe Kritik an seiner Person aus der eigenen Partei lässt Strasser laut eigenen Worten unbeeindruckt.
Rücktritt noch Sonntagvormittag abgelehnt
Der ÖVP-Nationalrat Ferdinand Maier hatte Strasser im Gespräch mit dem „Kurier“ (Sonntag-Ausgabe) die Vertrauenswürdigkeit abgesprochen. „Das Image Strassers ist so, dass man annehmen kann, dass an diesen Vorwürfen etwas dran ist“, sagte Maier. Strasser wollte dazu keinen Kommentar abgeben. „Ich möchte der Partei nicht schaden“, sagte Strasser. Einen Rücktritt hatte er noch am Sonntagvormittag erneut abgelehnt.
Neben dem ehemaligen Innenminister wird auch über zwei weitere EU-Parlamentarier berichtet, die auf das Scheinangebot eingegangen sind: den ehemaligen rumänischen Außenminister Adrian Severin und den ehemaligen slowenischen Außenminister Zoran Thaler. Laut Bericht der „Sunday Times“ ist der fragwürdige Änderungsantrag ins EU-Parlament eingebracht worden. Die britische Abgeordnete Diana Wallis, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, hat eine Untersuchung der Vorwürfe angekündigt.
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