Teure und langwierige Beseitigung
Das endgültige Aus für ein Atomkraftwerk ist schnell verkündet, der Abriss aber dauert Jahre. Tausende Tonnen radioaktiver Schrott müssen entsorgt werden, die Kosten belaufen sich auf Hunderte Millionen Euro.
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Die endgültige Stilllegung eines Atomkraftwerks unterscheidet sich zunächst nicht von einer regulären Betriebspause, wie bei den jährlichen Revisionen der Anlage. Die sogenannten Steuerstäbe werden in den Reaktorkern mit den Brennstäben gefahren, außerdem wird dem Kühlwasser Borsäure zugesetzt. Das unterbricht innerhalb von ein bis zwei Stunden die Kettenreaktion im Inneren vollständig.
Nach weiteren etwa zwölf Stunden ist die Temperatur im Reaktor auf etwa 70 bis 80 Grad Celsius gefallen. Dieser befindet sich dann in einem sogenannten unterkritischen kalten Zustand, in dem unter anderem die atomaren Brennstäbe entnommen werden können, erklärte Ulrich Schröder, Sprecher des deutschen Energiekonzerns EnBW, der zwei AKWs betreibt und derzeit mit dem Abbau eines 2005 abgeschalteten Kernkraftwerks beschäftigt ist.
Beseitigung dauert bis zu 15 Jahre
Nach der Unterbrechung der Kettenreaktion beginnt die Phase des eigentlichen Abrisses, die sich über lange Zeit zieht und von den Behörden streng überwacht wird. „Die Beseitigung einer kompletten Anlage dauert in der Regel zehn bis 15 Jahre, manchmal auch länger“, sagte Mathias Steinhoff, Rückbausachverständiger beim Darmstädter Öko-Institut. Dabei arbeiten sich die Abrissmannschaften von außen nach innen durch das Kraftwerk, wobei sie in der Regel in den nicht radioaktiven Anlagenteilen beginnen, die keinen Kontakt zur Strahlung hatten.
In dem 2003 stillgelegten niedersächsischen Atomkraftwerk Stade gab es nach Angaben des Betreibers E.ON zunächst eine eineinhalbjährige „Nachbetriebsphase“, in der unbelastete Systeme wie Turbinen und Generatoren abgebaut, Brennelemente aus dem Reaktor entfernt und der Abbau der radioaktiv verseuchten Anlagenteile vorbereitet wurde. Die Zerlegung der am stärksten strahlenden Komponenten wie des 190 Tonnen schweren Reaktordruckbehälters begann erst 2008, rund vier Jahre nach der Abschaltung. Die Kosten für einen Rückbau sind hoch. Für Obrigheim rechnet EnBW laut Schröder mit einem „mittleren dreistelligen Millionenbetrag“.
Dekontamination vor Entsorgung
Beim Abriss eines stillgelegten Atomkraftwerks wird versucht, die Menge des radioaktiven Abfalls zu minimieren. Wann immer möglich, werden Teile deshalb dekontaminiert - das heißt entseucht -, statt sie als Ganzes zur Endlagerung zu geben. Bei vielen Komponenten etwa aus dem Kühlwasserkreislauf ist das möglich, indem Oberflächen gereinigt oder abgeschliffen werden. Das Material darunter sei nicht radioaktiv, betont Steinhoff.
Deshalb könnten diese Teile in sogenannten Decon-Stationen gesandstrahlt oder abgefräst werden, bis sie nicht mehr strahlen. Gefährlicher Staub und Späne werden gesammelt, die behandelten Teile verlassen das AKW nach einer Strahlenprüfung als Bauschutt und Altmetall.
Zersägen und Verpacken unter Wasser
Am schwierigsten ist die Entsorgung der Komponenten, die durch jahrelangen Neutronenbeschuss aus nächster Nähe komplett radioaktiv geworden sind und daher dauerhaft strahlen. Der Druckbehälter, das frühere Herz des Reaktors, gehört dazu. Er muss mit ferngesteuerten Sägen oder Schneidbrennern unter Wasser zerlegt und in Spezialbehälter verpackt werden. Wasser schirmt die Strahlung ab.
Grob gerechnet fallen beim Rückbau eines AKW etwa 300.000 Tonnen Schutt an, ein Prozent davon landet als dauerhaft strahlender Müll in Zwischenlagern.
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