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Temperaturen um den Gefrierpunkt

Anhaltende Nachbeben, Kälte, Regen und Schnee: Die Lage in den von einem Beben der Stärke 9 und einem darauffolgenden Tsunami verwüsteten Gebiete im Nordosten Japans wird immer schlimmer. Hunderttausende Obdachlose müssen bei Temperaturen um den Nullpunkt ausharren. In weiten Teilen des Katastrophengebietes gibt es nach wie vor keinen Strom.

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Neben dem Einsatz Zehntausender Soldaten und eigener Hilfstruppen will Japan nun offenbar das Ausland verstärkt um Hilfe bitten. Die Nachrichtenagentur Kyodo meldete etwa, dass die Regierung nun auch dem Einsatz ausländischer Ärzte für die Erdbebenopfer zustimme.

Japans Botschafter in Russland sprach zuletzt von 500.000 Menschen, die weiter obdachlos sind. Die Zahl der bestätigten Toten wurde zuletzt mit 4.164 angegeben, immer noch werden offiziell rund 12.000 Menschen vermisst. Ein Anstieg der Zahl ist allerdings wahrscheinlich, da nach wie vor ein Überblick über das gesamte Ausmaß der Katastrophe fehlt. Laut dem Polizeichef der besonders schwer getroffenen Präfektur Miyagi werden allein in dieser Region über 10.000 Tote befürchtet.

Rettungsarbeiten im Schnee

APA/EPA/Asahi Shimbun

Schneefälle erschweren die Arbeit der Helfer.

850.000 Haushalte ohne Strom

Zudem seien im Nordosten Japans 850.000 Haushalte bei Temperaturen um den Gefrierpunkt noch immer ohne Strom. Das meldete NHK nach Angaben des Energieversorgers Tohuku. Die Naturkatastrophen hätten 76.000 Gebäude beschädigt und mindestens 6.300 weitere komplett zerstört. Erschwert wird die Lage für die Betroffenen seit Mittwoch zudem durch widrige Witterungsverhältnisse mit Regen und Schnee.

Nur kurze Erwärmung am Wochenende

In einigen Gegenden des Katastrophengebiets bedeckte am Mittwoch eine Schneedecke die Trümmerlandschaft. In den besonders stark betroffenen Präfekturen Iwate, Miyagi und Fukushima waren die Temperaturen nahe am Nullpunkt. Das Wetteramt sagte für Donnerstag voraus, dass die Temperaturen weiter auf minus fünf Grad fallen würden.

„Heute, morgen und übermorgen ist die Situation noch kritisch mit Temperaturen um die null Grad“, sagte Christian Csekits von den Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) auf APA-Anfrage. Das Wochenende soll eine deutliche Erwärmung bringen, danach steht allerdings wieder kaltes und nasses Wetter bevor.

Die Einwohner und die Bergungs- und Aufräumteams trifft der Kälteeinbruch umso härter, als sie schon mit einem Mangel an Trinkwasser, Lebensmitteln und Treibstoff sowie mit Stromausfällen und Problemen mit der Telekommunikation zu kämpfen haben. Laut Ärzte ohne Grenzen warten allein in Gebieten um Minamisunriku nördlich von Miyagi über 9.000 Menschen auf Hilfe. Aufgrund der eisigen Temperaturen sind viele Menschen unterkühlt.

Anhaltende Nachbeben

Erschwerend kommen anhaltende Nachbeben dazu. Mittwochmittag (Ortszeit) erschütterte laut der US-Erdbebenwarte ein Beben der Stärke 6,0 die Region Kanto, in der auch die Hauptstadt Tokio liegt. In der Millionenmetropole waren starke Erdstöße zu spüren. Nach Angaben des Pazifischen Tsunami-Warnzentrums bestand aber keine neue Tsunami-Gefahr.

Zudem wächst im lediglich 250 Kilometer vom Unglücksreaktor Fukushima I gelegenen Tokio die Angst vor einer radioaktiven Wolke. Auch in dem von rund 35 Millionen Menschen bewohnten Großraum kam es bereits zu Engpässen in der Versorgung. Die Regierung rief die Bevölkerung auf, keine Hamsterkäufe mehr an Tankstellen zu machen und Energie zu sparen.

Tausende Reservisten einberufen

Die Regierung stellte in einem ersten Schritt rund 265 Millionen Euro als Notfallhilfe für die Bürger in Katastrophengebieten bereit. Das Geld sei für Essen, Wasser, Decken und Medizin vorgesehen, wie Regierungssprecher Noriyuki Shikata im Kurzmitteilungsdienst Twitter bekanntgab.

Zudem kündigte das Verteidigungsministerium die Entsendung von Tausenden Reservisten in das Erdbeben- und Tsunami-Gebiet im Nordosten der Hauptinsel Honshu an. Rund 6.400 Reservisten würden zur Verstärkung der 70.000 Soldaten entsandt, die bereits im Einsatz seien, erklärte das Ministerium am Mittwoch in Tokio. Insgesamt sollen 100.000 reguläre Soldaten bei den Rettungs- und Aufräumarbeiten helfen. Das sind rund 40 Prozent der japanischen Streitkräfte.

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