Regierung vermutet Kernschmelze
Mit Meerwasser und Bor wird derzeit versucht, die betroffenen Reaktorkerne im AKW Fukushima zu kühlen. Für Experten ist das ein Indiz, „wie ernst das Problem dort ist“. Beim Reaktor 3 habe man „frühzeitig damit begonnen“, Druck abzulassen und Wasser einzupumpen, hieß es vonseiten der Regierung. Beobachter werteten das als Eingeständnis, dass die Regierung bisher bei Reaktor 1 zu zögerlich vorging.
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Kritiker werfen ihr schwaches Krisenmanagement und mangelnde Informationspolitik vor. Es fehlen Details, was tatsächlich in Fukushima passiert. Australien verlange bereits „dringend weitere Informationen über den genauen Status“ der Reaktoren.
Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Erstmals hatte die japanische Regierung am Sonntag von einer möglichen Kernschmelze in zwei Reaktoren im AKW Fukushima gesprochen. Sicherheit gebe es keine darüber, so Regierungssprecher Yukio Edano: „Es ist im Reaktor. Wir können es nicht sehen. Aber wir nehmen an, dass eine Kernschmelze stattgefunden hat.“
Meerwasser auch im dritten Reaktor
Wenige Stunden später revidierte Edano seine Aussagen allerdings wieder. Im Reaktor 3 habe am Sonntag keine Kernschmelze stattgefunden. Radioaktive Strahlungswerte im Kraftwerk überschritten die zugelassenen Werte, doch laut Edano bestehe keine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung.
Indessen kündigte die Betreibergesellschaft Tokyo Electric Power CO (TEPCO) an, in einen dritten Reaktor mit der Nummer zwei Meerwasser laufen zu lassen. Auch dort gebe es Probleme mit der Kühlung.
Weitere Explosion möglich
Nach dem Reaktor 1, dessen oberer Teil der Hülle am Samstag durch eine Explosion zerstört wurde, gibt nun vor allem der Reaktor 3 Anlass zur Sorge. „Um 5.30 Uhr hat die Versorgung mit Wasser aufgehört, und der Druck im Inneren erhöht sich allmählich“, sagte der Sprecher zur Situation im Reaktor 3. Neben sechs weiteren von insgesamt zehn Reaktoren in den Kraftwerken I und II fiel auch in diesem Block das Kühlsystem aus. Edano warnte dort wegen einer möglichen Ansammlung von Wasserstoff auch vor einer möglichen Explosion. Das werde aber „kein Problem“ für den Reaktor bedeuten.
„Unfall“ auf Stufe vier
Die Explosion im Reaktor 1 wurde von der japanischen Atomaufsicht als „Unfall“ der Stufe vier auf einer Skala von null bis sieben eingestuft. Angeblich wurde der von einem 15 Zentimeter dicken Stahlmantel umhüllte Kern nicht beschädigt. Die offenbar abnehmende Radioaktivität und Wärmeproduktion sieht der Atomexperte Helmut Rauch als mögliche Zeichen, dass die Situation im Reaktor 1 unter Kontrolle gebracht werden konnte. Sollte der Reaktorbehälter aus Stahl der Hitze der schmelzenden Brennelemente von bis zu 3.000 Grad standhalten, müsste seiner Ansicht nach die Kühlung noch über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren gewährleistet werden.
Japanische Experten betonen, die Reaktoren in Fukushima würden selbst einer Kernschmelze standhalten. Westliche Experten zeigten sich teils deutlich skeptischer. Ein Greenpeace-Sprecher sagte, dass aufgrund der Verkettung unterschiedlicher Ereignisse die Lage möglicherweise außer Kontrolle sei. „Es ist dramatisch, weil derzeit scheinbar unkontrolliert Radioaktivität austritt.“
Radioaktivität in Provinz Miyagi erhöht
Durch das Ablassen von Dampf, um den Druck zu reduzieren, wurde Radioaktivität freigesetzt, die auch den gesetzlich festgelegten Höchstwert bereits überschritt. 200.000 Menschen wurden aus der Gefahrenzone mit einem Radius von 20 Kilometern gebracht. Ein Mitarbeiter einer Umweltschutzorganisation berichtete aber auch von erhöhten Werten außerhalb der Evakuierungszone, berichtete der ORF-Korrespondent Jörg Winter. Mindestens 20 Personen wurden verstrahlt. Diese Zahl könnte laut Behörden auf bis zu 160 steigen.
Sollte noch mehr Radioaktivität austreten, ist die Wettersituation entscheidend, aus welcher Richtung der Wind kommt, welche Regionen besonders betroffen sein könnten. Aus der nordöstlichen Provinz Miyagi wurde bereits gemeldet, dass die Radioaktivität 400-mal höher sei als normal. Meteorologischen Analysen zufolge könnte Tokio aufgrund eines erwarteten Tiefdruckgebiets in 48 Stunden betroffen sein.

AP/Gregory Bull
Menschen aus der Umgebung des AKWs werden auf Radioaktivität untersucht.
Jodtabletten verteilt
Tausende evakuierte Menschen werden von Arbeitern mit weißen Masken und Schutzkleidung auf Radioaktivität gescannt. Möglicherweise verstrahlte Personen werden abgesondert. Die Behörden bereiten sich bereits auf die Ausgabe von Jodtabletten an die Bevölkerung vor, um im Fall einer atomaren Katastrophe zumindest das Schilddrüsenkrebsrisiko zu reduzieren - Video dazu in iptv.ORF.at.
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