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Streit über Mehrwertsteuer eskaliert

In Tschechien ist am vergangenen Donnerstag ein Spitzelskandal um Finanzminister Miroslav Kalousek ausgebrochen. Der Minister wollte offenbar Medien unter Druck setzen, weil sie die von der Regierung geplante Abschaffung des ermäßigten, zehnprozentigen Mehrwertsteuersatzes für Zeitungen, Bücher und weitere Printprodukte scharf kritisierten.

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So teilte Kalousek dem Chefredakteur Robert Casensky der renommierten „Mlada fronta Dnes“ („DNES“) telefonisch mit, dass er (Kalousek) über eine geheim aufgenommene Videoaufzeichnung von einem Treffen der Chefredakteure von Zeitungen und Wochenzeitschriften verfüge, bei dem die Teilnehmer über die Absicht des Kabinetts diskutierten.

Wanzen und Kameras in Zeitungsredaktion

Bei dem Treffen, das in der Redaktion des genannten Blattes stattgefunden habe, hätten die Chefredakteure auch über eine gemeinsame Erklärung gesprochen, mit der sie die Regierung auffordern wollten, die Mehrwertsteuerbelastung der Printmedien nicht auf den gewöhnlichen Satz von 20 Prozent zu erhöhen. Kalousek teilte Casensky auch mit, dass er die Videoaufzeichnung veröffentlichen wolle. Wie und von wem die Aufzeichnung aufgenommen wurde, wollte der Finanzminister nicht präzisieren. Er sagte nur, er selbst habe die Aufzeichnung „nicht initiiert“.

„Mlada fronta Dnes“ informierte in ihrer Onlineausgabe sofort über Kalouseks Telefonat. „Ich bin total schockiert. Noch nie habe ich gehört, dass Wanzen oder Videokameras direkt in einer Zeitungsredaktion eingesetzt worden wären“, erklärte Casensky.

„Attacke gegen Pressefreiheit“

Der Chefredakteur der Tageszeitung „Lidove noviny“, Dalibor Balsinek, wandte sich an Staatspräsident Vaclav Klaus und Premier Petr Necas und sprach von einer „unglaublichen Attacke gegen die Pressefreiheit“. „Das Treffen der Chefredakteure war eine transparente Sitzung“, so Balsinek. Der Herausgeber von „Mlada fronta Dnes“ und „Lidove noviny“, die Gesellschaft MAFRA, erklärte unterdessen, man werde sich mit der Forderung an die Polizei wenden, sich mit dem Fall einer „illegalen Aufzeichnung direkt im Sitzungsraum einer Redaktion“ zu befassen.

Alles nur ein Bluff?

Als erste kritische Reaktionen auf das Vorgehen Kalouseks kamen, sagte der Finanzminister, er werde die Aufzeichnung nicht veröffentlichen. Am Donnerstagvormittag gab Kalousek eine offizielle Presseaussendung heraus, in der er erklärte, dass er über keine Aufzeichnung verfüge und dass es sich von seiner Seite um einen Bluff gehandelt habe. Er, Kalolusek, habe nur „unvollständige und ungeprüfte Informationen“, wonach die Chefredakteure zusammengetroffen seien, um eine „gewaltige mediale Kampagne“ gegen die geplante Vereinheitlichung der Mehrwertsteuer zu führen, „die die Gewinne ihrer Herausgeber deutlich beeinflussen würden“.

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