Kompromiss bei Abschlusserklärung
Über den Zeitplan hinaus verhandelten die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten am Freitag in Brüssel über mögliche Militärinterventionen in Libyen. Am Ende gab es einen Kompromiss, wonach jedem EU-Land selbst überlassen bleibe, sich an der Schaffung einer Flugverbotszone zu beteiligen. Wie es in Ratskreisen hieß, werde das Wort in der Gipfelerklärung nicht ausdrücklich erwähnt.
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Mit einer Flugverbotszone könnte Machthaber Muammar al-Gaddafi von Luftangriffen auf Aufständische abgehalten werden. Die Debatte zur Flugverbotszone sei „sehr kontroversiell verlaufen“, sagte Kanzler Werner Faymann (SPÖ), der sich entschieden gegen jede militärische Aktion aussprach, nach dem Gipfel.
Was Al-Gaddafi betrifft, sind sich die Staats- und Regierungschefs aber einig: Sie fordern ihn zum unverzüglichen Rücktritt auf. Der EU-Sondergipfel verurteile zudem die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung in Libyen, teilte EU-Ratspräsident Hermann van Rompuy am Freitag in Brüssel mit.
Sanktionen werden verschärft
Zudem einigten sich die Staats- und Regierungschefs darauf, die Finanzsanktionen gegen Libyen zu verschärfen. Ungarns Außenminister Jonas Martonyi schloss in dem Zusammenhang nicht aus, dass das Guthaben der libyschen Ölfirmen eingefroren werden könnte. Die EU-Staaten wollten auf dem Gipfel auch eine politische und wirtschaftliche Partnerschaft für andere Staaten der Region wie Tunesien und Ägypten beschließen, um diese bei demokratischen Reformen zu unterstützen.
Al-Gaddafi nicht mehr Ansprechpartner
Außerdem wurde vereinbart, dass die EU Al-Gaddafi nicht mehr als Ansprechpartner akzeptiert. „Sein Regime hat alle Legitimität verloren und ist nicht mehr ein Ansprechpartner für die EU“, heißt es in der Gipfelerklärung. Stattdessen begrüße und unterstütze die EU den von Aufständischen gebildeten „Übergangsrat“ in Bengasi, „den sie als politischen Ansprechpartner sieht“.
Eine diplomatische Anerkennung des „Übergangsrates“ als rechtmäßige diplomatische Vertretung Libyens wurde von dem EU-Gipfel nicht vereinbart. Bisher hat nur Frankreich einen solchen Schritt gesetzt. US-Präsident Barack Obama kündigte am Freitag an, einen Sondergesandten für Kontakte mit den libyschen Rebellen einzusetzen: „Wir haben entschieden, dass es angemessen ist, einen Vertreter mit der spezifischen Aufgabe zu betrauen, Kontakte zur Opposition zu unterhalten und Wege herauszufinden, wie wir ihr weiter helfen können.“
Widerstand für Sarkozy
Während der französische Staatschef Nicolas Sarkozy erklärte, Frankreich und Großbritannien seien im Falle einer Eskalation zum Eingreifen bereit, warnte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor vorschnellen Aktionen. Großbritanniens Premier David Cameron sagte, die EU müsse sich auf „jede Eventualität“ einstellen, um Al-Gaddafi von der Macht zu vertreiben.
Merkel äußerte sich zurückhaltend über ein weitgehendes Eingreifen. „Wir wollen alles tun, um das Leiden des libyschen Volkes auch einzuschränken“, sagte sie. „Allerdings sage ich ganz deutlich, wir müssen die Schritte, die wir unternehmen, auch genau überlegen, damit sie auch zu einem vernünftigen Ende führen.“
Politik gegenüber Al-Kaida „komplett ändern“
Al-Gaddafi drohte der EU, den internationalen Kampf gegen die illegale Einwanderung und den Terrorismus nicht weiter zu unterstützen. Sollte Europa die „aktive Rolle Libyens“ als „Garant für die Stabilität“ Afrikas missachten, sei sein Land „gezwungen“, sich aus den Anstrengungen im Anti-Terror-Kampf zurückzuziehen und seine Politik gegenüber dem Terrornetzwerk Al-Kaida „komplett zu ändern“, hieß es in einer Botschaft Al-Gaddafis, die von der amtlichen Nachrichtenagentur JANA am Freitag verbreitet wurde.
Tripolis würde auch afrikanische Flüchtlinge nicht mehr auf ihrem Weg in die EU stoppen, so Al-Gaddafi. „Millionen Schwarzer“ würden dann nach Europa „strömen“. Zudem kündigte der stellvertretende libysche Außenminister Chaled Kaim an, die diplomatischen Beziehungen mit Frankreich aufzuheben: „Es ist klar, dass die französische Regierung sich darauf konzentriert, Libyen zu teilen.“
EU friert Vermögen libyscher Banken ein
Unterdessen traten am Freitag neue EU-Sanktionen gegen das Regime in Kraft. Die Druckmittel sehen vor, die Vermögen von fünf libyschen Finanzinstituten mit sofortiger Wirkung einzufrieren. Außerdem wird der österreichische Staatsbürger Mustafa Zarti (40) auf eine Liste von bisher 26 libyschen Führungspersonen gesetzt - seine Konten werden damit gesperrt. Da der als „Strohmann“ Al-Gaddafis geltende Zarti einen EU-Pass hat, darf er sich allerdings weiter in der EU aufhalten - im Gegensatz zu den 26 anderen Personen, unter denen auch Al-Gaddafi selbst ist.
Die EU-Strafen treffen neben der libyschen Notenbank und dem libyschen Staatsfonds LIA die Gesellschaften Libya Africa Investment Portfolio, Libyan Foreign Bank und Libyan Housing and Infrastructure Board (HIB). Die Sanktionen waren am Donnerstag vom EU-Ministerrat beschlossen worden.
Die italienische Bank-Austria-Mutter UniCredit teilte am Freitag in einer Aussendung mit, dass sie die Stimmrechte ihrer libyschen Aktionäre eingefroren hat. Der libysche Staatsfonds LIA hält 2,6 Prozent der UniCredit-Aktien. Zusammen mit den Aktien, die von der libyschen Zentralbank gehalten werden, sind es mehr als 7,6 Prozent. Später kündigte auch der italienische Fußballverein Juventus Turin an, die Stimmrechte des libyschen Aktionärs, der Finanzgesellschaft Lafico, einzufrieren.
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