„Von nahezu niemandem eingehalten“
Eigentlich drückt das Verkehrsschild am Beginn jeder Wohnstraße treffend aus, welch besondere Verkehrssituation hier herrscht: Kinder dürfen auf der Straße spielen, das Befahren der Straße mit Fahrzeugen ist deshalb nur in Ausnahmefällen genehmigt. So ist etwa der Fahrradverkehr erlaubt, und auch Fahrzeuge des Straßendienstes und der Müllabfuhr dürfen die Straßen benützen.
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Autofahrer hingegen dürfen nur zum Zweck des Zu- und Abfahrens in Wohnstraßen einfahren, und das nur in Schrittgeschwindigkeit. Die Wohnstraßen dienen zur Verkehrsberuhigung in Straßenabschnitten, wo besonders viele Fußgänger unterwegs sind, wie etwa bei Schulen, Kindergärten, Pensionistenheimen, Krankenhäusern und Ämtern.
Das Tempolimit ist eines der größten Missverständnisse, die über Wohnstraßen herrschten, erklärte Armin Kaltenegger, Leiter der Rechtsabteilung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV), gegenüber ORF.at. Zwar wissen die Autofahrer, dass sie nicht so schnell fahren dürfen wie im normalen Ortsgebiet, dass es aber tatsächlich nur drei bis fünf Kilometer pro Stunde sind, ist nur wenigen bekannt.
„Nicht einer“ fährt mit Schrittgeschwindigkeit
„Die Geschwindigkeit wird nahezu von niemandem eingehalten“, so Kaltenegger. Bei Messungen sei oft „nicht einer dabei“, der sich an das Tempolimit hält. Zwar fahren die Pkw-Lenker etwas langsamer als im normalen Ortsgebiet, dennoch sind das oft 30 bis 40 km/h.
Eine höhere Geschwindigkeit ist aber oft auch gar nicht möglich, da das Tempo auf diesen Straßen durch bauliche Maßnahmen wie etwa Fahrbahnanhebungen und Gehsteigdurchziehungen automatisch gedrosselt wird. Dass die Schrittgeschwindigkeit dennoch missachtet wird, führt der Verkehrsexperte auf Nichtwissen zurück. Viele schätzten, dass das Limit bei 30 km/h liege.
„Überrascht“ von Kindern auf der Fahrbahn
Eine gefährliche Geschwindigkeit, wenn man bedenkt, dass sich Fußgänger auf den Straßen aufhalten. Doch auch das ist offenbar vielen Autofahrern trotz des Hinweisschilds am Beginn jeder Wohnstraße nicht bewusst: „Sehr viele Autofahrer sind überrascht, dass da Kinder spielen“, so Kaltenegger, der das Verhalten auf „pure Unaufmerksamkeit“ zurückführt. Besondere Achtsamkeit sei auch gefordert, da es Radfahrern in jeder Wohnstraße erlaubt ist, gegen die Einbahn zu fahren.
Dass diese verkehrsberuhigten Zonen eigentlich für Autofahrer tabu sind, solange sie dort nicht zu einer Haus- oder Grundstückseinfahrt fahren, werde von vielen Lenkern jedoch bewusst missachtet, glaubt Kaltenegger. Schließlich handle es sich oft um eine „praktische Abkürzung“.
Parken ja, aber wo und wie?
Ein großes Mysterium herrscht bei Autofahrern offenbar auch beim Thema Parken in Wohnstraßen: Das Durchfahren zur Parkplatzsuche ist etwa sehr wohl erlaubt. Wenn in diesem Fall kein Parkplatz gefunden wird, muss der Autofahrer aber nicht, wie von vielen Autofahrern vermutet, anhalten, um einer Strafe zu entgehen.
Und auch was die Parkmöglichkeiten betrifft, wissen laut Kaltenegger viele Fahrzeuglenker nicht Bescheid, dass in Wohnstraßen Fahrzeuge lediglich an dafür gekennzeichneten Stellen abgestellt werden dürfen, und nicht wie gewöhnlich, wenn genügend Platz ist am Fahrbahnrand.
KfV: Bewusstseinsschärfung nötig
Um das Bewusstsein der Autofahrer für diesen sensiblen Verkehrsbereich zu schärfen, plädiert Kaltenegger für mehr Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit. Außerdem sei es sinnvoll, die Verkehrsüberwachung und sichtbare Präsenz der Exekutive zu verstärken. Höhere Strafen hingegen seien aus seiner Sicht wenig zielführend.
Doch auch wenn Autofahrer sich häufig nicht an die besonderen Bestimmungen in Wohnstraßen hielten, wirkten diese dennoch „sehr gut unfallvermeidend“ und würden zur Lebensqualität der Anwohner beitragen, ist Kaltenegger überzeugt. Denn auf diesen Straßen passieren laut Kaltenegger weit weniger Unfälle als etwa auf Schutzwegen. Unfallzahlen besitzt man beim KfV keine, da diese für Wohnstraßen nicht extra ausgewiesen werden.
Petra Fleck, ORF.at
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