300 Jahre Baugeschichte
„Hoch hinauf“ hat die Devise der europäischen Dombaumeister im Mittelalter gelautet - so auch in Wien, wo im Laufe von 300 Jahren der damals höchste Bau Europas entstand: der Stephansdom. Das Wien Museum widmet der spannenden Baugeschichte dieses Monsterprojekts des Mittelalters nun eine Ausstellung.
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Denn noch immer gilt die Kirche im Zentrum der Hauptstadt als eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt - auch wenn das Bauwerk heute in der Liste der höchsten Gebäude unter „ferner liefen“ rangiert.
Während im restlichen Europa nach der Fertigstellung des 136,4 Meter hohen Südturms 1433 ein regelrechtes Rennen um das Übertreffen des Wiener Vorbilds in Gang gesetzt wurde, durfte im ehemaligen Österreich-Ungarn keine Kirche höher als der Südturm des Stephansdoms erbaut werden. Sechs Jahre lang konnte der Dom zu St. Stephan den Europarekord für sich beanspruchen - dann wurde er vom Straßburger Münster mit seinem 142 Meter hohen Nordturm übertrumpft.

Peter Kodera / VBK, Wien, 2011
Blick in das Gewölbe des Domlanghauses, 1965-1970
Erst seit 2003 zählt der Sakralbau zusammen mit der historischen Altstadt zum Weltkulturerbe der UNESCO. Zwei Jahre später wurde auch in die Liste des Weltdokumentenerbes ein Detail des Doms aufgenommen: die detaillierten Pläne, nach denen die Dombaumeister und Steinmetze über Jahrhunderte hinweg arbeiteten.
Ausstellung zeigt Originalpläne
In der Ausstellung „Der Dombau von St. Stephan - Die Originalpläne aus dem Mittelalter“ helfen Infografiken und Modelle, die Komplexität der Bauarbeiten zu entschlüsseln. Denn trotz der erhaltenen Dokumente - neben den Planrissen auch Urkunden, Fotografien, Grafiken, Architekturfragmente und Werkzeuge - liegen die Anfänge des Doms großteils im Dunkel des 12. Jahrhunderts.
So lässt sich auch die Frage, wer die Idee zum Jahrhundertprojekt hatte, auch nicht mehr mit Sicherheit klären. Die Initiative könnte von der Wiener Pfarrgemeinde ausgegangen sein, genauso gut aber auch vom Bischof von Passau (zu dessen Bistum Österreich damals zählte) oder vom Landesfürsten.

Wien Museum
Auf einer Spielbaustelle im Wien Museum können sich auch Kinder mit dem Dombau auseinandersetzen.
Finanzspritze Ablasshandel
Finanziert wurde das Riesenbauvorhaben vor allem durch bürgerliche Stiftungen und zu einem guten Teil auch durch die Einnahmen aus dem lukrativen Ablasshandel. Eine ganze Reihe von Erzbischöfen und Bischöfen war in das Geschäft mit den lässlichen Sünden eingebunden: Wer bereit war, St. Stephan zu unterstützen, konnte mit einer großzügigen Schuldbefreiung rechnen. Die öffentliche Hand war nur für einen kleinen Teil der Finanzierung verantwortlich, jedoch wurden unter anderem die Einnahmen aus einer Verbrauchssteuer für Wein und aus Mautgeldern für den Stephansdom gewidmet.
Im Vergleich zu anderen Kathedralen war der Bauprozess in Wien ein fließender. Statt eines einheitlichen Plans wurde der Ausbau während der dreihundertjährigen Bauzeit permanent verändert und weiterentwickelt. Grund dafür war auch die Besetzungspolitik in der Wahl der Baumeister, die meist nicht aus dem bestehenden Personal getroffen wurde, sondern mit einem auswärtigen Meister. Darin zeigt sich das Bestreben, auch aktuelle Strömungen der Architektur in den Bau einfließen zu lassen.
Wirtschaftsfaktor Großbaustelle
Die Baustelle und die damit verbundenen Arbeitsplätze zählten schnell zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren der Stadt. Durch eine Pestpandemie Mitte des 14. Jahrhunderts war es für die Bauherren nicht immer leicht, genügend Arbeitskräfte zu finden, um den Baufortschritt zu gewährleisten - so lockte das Angebot an Arbeitsplätzen Menschen von weit her.
Hinweis
„Der Dombau von St. Stephan“, bis 21. August, Wien Museum, dienstags bis sonntags, feiertags von 10.00 bis 18.00 Uhr, montags geschlossen. Zur Ausstellung ist ein Katalog (208 Seiten, 24 Euro) erschienen.
Trotz der permanenten Bautätigkeit - die auf einer derartigen Großbaustelle eine ziemlich große logistische Herausforderung darstellte - legte die Pfarre großen Wert auf die Aufrechterhaltung des ungestörten Messbetriebs, der Gedächtnisfeierlichkeiten und der Chorgebete. Durch die Errichtung von temporären Dächern, Holz- und Fachwerkeinbauten konnte man für den Kirchenbetrieb verschiedene Bauabschnitte nutzen. Ein einziges Mal kann man den Schriftquellen entnehmen, dass der Gottesdienst für fünf Jahre in die Schottenkirche verlegt wurde.
Gerüste als Teil des Stadtbildes
Die Bauarbeiten am Stephansdom wurden bis heute so gut wie nie unterbrochen: Fast immer zeigt sich die Fassade des Stephansdoms permanent in Teilen eingerüstet. Rund 2,2 Millionen Euro werden jährlich für die Instandhaltungsarbeiten an der Fassade, den Fensterscheiben, Gemälde, Fresken, Altäre, Grabsteine und Steinböden benötigt.
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