Vielfältiger Einsatz in Medizin
Superelastisch, federleicht und - in Relation zum Gewicht - fünfmal stärker als Stahl, das sind die Eigenschaften des Spinnenfadens. Das sind Eigenschaften, die den Stoff für Forscher besonders interessant machen. Die Menge des Seidenrohstoffs, den Spinnen produzieren können, ist jedoch stark begrenzt.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Gleichzeitig sind die Tiere alles andere als tauglich für „Massentierhaltung“ - sie sind Einzelgänger und leben von Insekten, manche von ihnen sind gar Kannibalen.
Um Seide als Hightech-Stoff in der Wissenschaft einzusetzen, müssen Forscher deshalb erst das Problem der Gewinnung dieses Materials lösen. An der künstlichen Herstellung von Seide scheiterte man bis jetzt jedoch - zwar können Wissenschaftler das Material im Labor nachahmen, die künstlichen Seidenfäden reichen jedoch bei weitem nicht an die Stärke und Elastizität des natürlichen Gewebes heran.
Raupen einfach zu züchten
Die Hoffnung der Wissenschaftler liegt deshalb auf dem Tier, das in China schon vor Hunderten Jahren den begehrten Stoff produziert hatte: die Seidenraupe. Zwar erzeugt jede einzelne Raupe für sich weniger Seide als das Spinnen tun, der Vorteil sei jedoch, dass diese „einfach zu züchten sind“, sagte Cheryl Hayashi von der Universität of California gegenüber der „New York Times“ („NYT“). „Sie sind Vegetarier. Und sie produzieren Seide praktischerweise im Kokon.“
Mit Hilfe des Maulbeerseidenspinners wollen die Wissenschaftler weit über den Traum von kugelsicheren Westen aus Seide hinausgehen. „Hier haben wir ein Material, das es seit etwa 5.000 Jahren gibt und das seit etwa dieser Zeit in Fäden verwendet wird“, erklärt David Kaplan von der Tufts University. „Trotzdem gibt es diesen noch unerschlossenen Bereich.“
Hilfe gegen Epilepsie?
Kaplan entwickelte etwa mit Kollegen der University of Illinois und der University of Pennsylvania Elektrodenfelder, die auf flexible, abbaubare dünne Schichten Seide gedruckt wurden. Die Teilchen sind derart dünn, dass sie an der Oberfläche des Hirns angebracht werden können, wo sie eines Tages Epilepsie behandeln sollen, ohne dabei Narben zu produzieren, wie das größere Elektroden tun.
In der Biomedizin und Gewebeforschung werden große Hoffnungen in den vielseitigen Rohstoff gesetzt: Wissenschaftler experimentieren dabei mit Beugungsgittern, die als biologisch abbaubares Trägermaterial etwa für Biosensoren und Medikamenten dienen sollen. Eine Möglichkeit, das Gewebe stabiler zu machen, ist dabei etwa auch, Silbernanopartikel darauf anzubringen.
Medikamente in Seidenkapseln im Blut
Ein Vorteil dabei ist auch die Umweltverträglichkeit des Materials. „Seide ist ein wunderbares Material, da es biokompatibel ist“, so Eugenia Kharlampieva von der University of Alabama. Die Herstellung erfolgt mit Hilfe von Wasser und bei niedrigen Temperaturen.
Der größte Nachteil an dem Material sei, dass es so weich ist, sagte die Wissenschaftlerin gegenüber der „NYT“. Oft werden deshalb mehrere Schichten übereinandergepresst. Der Stoff bleibt weiter beweglich. Kharlampieva experimentiert so damit, um Kapseln aus der Seide herzustellen, die winzige Mengen an Medikamenten enthalten. So können sie unter Umständen in den Blutkreislauf geschickt werden.
Zu komplex für künstliche Produktion
Die Versuche, Seide künstlich zu produzieren, endeten bisher immer damit, dass das Ergebnis Nylon glich. „Jeder kann vernünftige Seide produzieren“, so David Porter von der University of Sheffield in Großbritannien gegenüber der „NYT“. „Aber sie unterscheidet sich nicht wirklich von gutem Nylon.“
Seide ist ein faseriges Protein, das in den Drüsen von Spinnen, Seidenraupen und anderen Insekten produziert wird. Das Prozedere ist derart kompliziert, dass es bisher im Labor nicht gelang, diesen Prozess nachzuahmen. Innerhalb des Organismus ist das Material flüssig, sobald es das Insekt verlässt, wird es fest. Für die besonderen Eigenschaften von Seide kommt es auf die komplexe Anordnung der Proteine an.
Hoffnung: Seide wie Baumwolle ernten
Auch die Herstellung von Seide mit Hilfe anderer genetisch manipulierter Organismen, wie Bakterien oder Ziegen unterliegt deshalb Grenzen: Denn sobald das Gewebe aus dem Organismus extrahiert wird, wird die Anordnung der Proteine zerstört. Letztendlich werde jedoch die Hightech-Seide mit Hilfe genetisch veränderter Pflanzen produziert, und wie Baumwolle geerntet werden, glaubt Kaplan.
Links: