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Parallel zu Angebot für „Partnerschaft“

Die EU-27 haben sich am Dienstagnachmitttag auf eine Verschärfung der Sanktionen gegen das Regime von Libyens Oberst Muammar al-Gaddafi geeinigt. Als Konsequenz daraus werden demnächst Konten einer Reihe libyscher Finanzgesellschaften eingefroren. Auch der Staatsfonds Libyan Investment Authority (LIA) steht auf der schwarzen Liste.

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Die 2006 gegründete, geschätzte 50 Milliarden Euro schwere LIA verwaltet bzw. investiert in erster Linie Einnahmen aus dem Erdölexportgeschäft. Der Fonds ist an zahlreichen Unternehmen in den USA und Europa, etwa der italienischen Bank-Austria-Mutter UniCredit, dem Fiat-Konzern, dem Fußballclub Juventus Turin und dem italienischen Industriekonzern Finmeccanica beteiligt.

Waffenembargo, Konten auf Eis gelegt

Mit dem Schritt werden nun die bestehenden, Ende Februar einstimmig beschlossenen EU-Sanktionen erweitert. Die sahen schon bisher Einreiseverbote gegen Al-Gaddafi sowie 25 andere hochrangige Funktionäre seines Regimes ebenso vor wie das Einfrieren von deren Vermögen in der EU. Außerdem beschloss die Union ein Waffenembargo. Die verschärften Sanktionen sollen am Freitag bei einem Sondergipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU offiziell beschlossen werden.

Die UniCredit in Mailand teilte in einer Reaktion mit, sollte die EU-Entscheidung bestätigt werden, würden die Stimmrechte libyscher Anteilseigner auf Eis gelegt. Die LIA hält 2,6 Prozent der UniCredit-Aktien. Zusammen mit weiteren Aktien, die von der libyschen Zentralbank gehalten werden, beträgt der libysche Anteil mehr als 7,6 Prozent.

Brüssel hatte stets betont, dass die Sanktionen erweitert werden könnten, sollte Al-Gaddafi nicht einlenken. Ziel sei es von Beginn an gewesen, nicht nur Regierungsvertreter, sondern auch „besonders relevante Firmen“ mit Sanktionen zu belegen.

Auch Zarti-Konten auf schwarzer Liste?

Laut Angaben von EU-Diplomaten soll nun auch Mustafa Zarti, der frühere Vizechef der LIA mit österreichischer Staatsbürgerschaft, auf der schwarzen Liste der Al-Gaddafi-Getreuen geführt und sein Vermögen eingefroren werden. Österreich hatte seine Konten bereits vergangene Woche gesperrt. Zuvor hatten Medien gemutmaßt, er könnte als „Strohmann“ für die Angehörigen des Al-Gaddafi-Regimes agieren. Der hätte möglicherweise über 20 Milliarden Euro in Österreich geparkt.

Zarti wies die Vorwürfe gegen seine Person als „Witz“ zurück. Sein Rechtsanwalt kündigte eine Amtshaftungsklage gegen die Republik an. „Das sind Gerüchte. Da steckt nichts hinter dieser Geschichte, absolut nichts“, sagte Zarti.

Sanktionen und neue „Partnerschaft“

Zeitgleich mit den neuen Strafmaßnahmen stellte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso am Dienstag eine neue „Partnerschaft für Demokratie und gemeinsamen Wohlstand“ vor. Sie soll politische Reformen im südlichen Mittelmeerraum fördern und ebenfalls am Freitag beschlossen werden.

„Unser Platz ist an der Seite jener, die politische Freiheit und Menschenwürde verlangen“, sagte Barroso vor dem Europaparlament in Straßburg. Die Partnerschaft soll den demokratischen Wandel fördern, beispielsweise den Aufbau von Institutionen sowie die Achtung der Menschenrechte und Justizreformen. Die Zivilgesellschaft soll gestärkt werden: Vor allem junge Menschen sollen mehr Kontakte zu EU-Bürgern bekommen. Schließlich soll auch die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen für Jugendliche in Klein- und Mittelbetrieben unterstützt werden.

„Ein Wind der Freiheit“

Förderprogramme der EU in Höhe von vier Milliarden Euro bis zum Jahr 2013 sollen „neu ausgerichtet“ werden. Die EU sei „entschlossen, in den Beziehungen zu ihren Nachbarn, die den Weg zu politischen und wirtschaftlichen Reformen beschreiten wollen, einen qualitativen Sprung nach vorne zu machen“, um den Beziehungen zwischen Nordafrika und der EU „neuen Schwung“ geben, sagte Barroso. „Ein Wind der Freiheit hat zu wehen begonnen.“

UNO: „Schwere Verstöße gegen Menschenrechte“

Vor der EU hatten bereits die Vereinten Nationen (UNO) Sanktionen gegen Al-Gaddafis Führungsmannschaft verhängt. In seiner Resolution 1970 warf das höchste UNO-Entscheidungsgremium der Führungsriege in Libyen „schwere und systematische Verstöße gegen die Menschenrechte“, darunter Gewalt gegen friedliche Demonstranten, vor.

Auch die UNO-Sanktionen beinhalten ein Waffenembargo, ein Reiseverbot für Staatschef Al-Gaddafi und seinen Clan sowie die Sperrung ihrer ausländischen Konten. Vor allem aber stellt die UNO-Resolution die Weichen für Ermittlungen und gegebenenfalls Prozesse gegen den 68-jährigen Oberst und seine Söhne vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Der UNO-Sicherheitsrat stimmte den Strafmaßnahmen geschlossen zu.

Oppositionelle vor dem EU-Parlament

Die libysche Opposition will von der EU so schnell wie möglich als einzig legitime Autorität in dem nordafrikanischen Land anerkannt werden. Das forderte der frühere libysche Planungsminister und das Gründungsmitglied des Nationalrats, Mahmud Dschebril, am Dienstag in einer Rede vor Abgeordneten des Europaparlaments in Straßburg. Zugleich bat er die EU um Militärhilfe sowie um wirtschaftliche, humanitäre und medizinische Unterstützung.

„Wir würden jede Hilfe schätzen, die es dem libyschen Volk ermöglichen würde, dieser Revolution ein glückliches Ende zu setzen“, sagte Dschebril bei dem Treffen mit den EU-Parlamentariern, das auf Einladung des früheren belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt zustande kam.

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