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Landkarte der Intimzone

Bei Hip-Hop und Sex denken viele zuerst an goldbehangene Rapper, die von spärlich bekleideten Damen umringt werden und Obszönitäten ins Mikro rotzen. Spätestens seit „Let’s Talk About Sex“ des US-Frauenduos Salt’N’Pepa weiß man, dass es auch anders geht.

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Ein aktuelles Beispiel dafür liefert Amanda Palmer. Ihr neues Album „Amanda Palmer Goes Down Under“ vertreibt sie selbst online. Die erste Single-Auskoppelung „Map of Tasmania“ rangiert in diversen Indie-Charts seit Wochen an der Spitze. Der Sound ist Palmer-untypisch. Mit ihrer Band Dresden Dolls, einem breiten Publikum hierzulande durch einen Werbespot („Coin-Operated Boy“) bekannt, und auch mit ihrem ersten Soloalbum „Who Killed Amanda Palmer“ verfolgte sie eine Mischung aus klassischer Kabarettmusik (ordentlich ins Piano gedroschen) und Post-Punk: viel schweres Gefühl, gepaart mit nur marginal gebändigter, roher Kraft.

Lass es sprießen

„Map of Tasmania“ wirkt hingegen leichtfüßig und ist ein gut tanzbarer Hip-Hop-Song mit Dub- und Indie-Einsprengseln (die Ukulele darf mitspielen). Auch inhaltlich ist das Lied, vor allem in Verbindung mit dem Video, in erster Linie eines: lustig. Wirklich sehen und hören sollte man den druckvollen Remix der Young Punx, bei dem auch die kanadische, in Berlin lebende Künstlerin Peaches mitmischt.

Wer schon jemals bei einem Konzert von Peaches oder Palmer war, wer Platteninlets der beiden kennt, weiß, wie die beiden zum Thema Körperbehaarung stehen: Lass es sprießen. Nun hat Palmer dem gemeinsamen Anliegen mit „Map of Tasmania“ ein eigenes Lied gewidmet. Das Video ist trotzdem jugendfrei. Die „Parts of Interest“ sind in kreative Faschingskostüme gehüllt (Lockenwickler, Lego, Pralinen und Wuschelperücken). „This map ist symbolic“, rotzt Peaches ins Mikrofon, ihr Gesicht ist mit einem Dreieck geschminkt.

Von wegen „nicht im Radio“

Für Palmer sind Video und Song ein größerer Schritt als für Peaches, die Themen wie Internetpornos vom ersten Album an explizit angegangen war. Bei ihren Konzerten reitet Peaches auf Riesenpenissen und lässt auch sonst nichts aus, was ein paar Jahre früher noch schockiert hätte. Die expliziten Texte auf Platten wie „Fatherfucker“ sprechen ohnehin für sich. Musikalisch bewegte sich Peaches bereits bei ihrem letzten Album „I Feel Cream“ vom kompromisslosen, befreiend reduktionistischen Drei-Akkorde-Elektro-Punk weg in Richtung Tanzmusik. Im Remix des Palmer-Videos rappt sie.

Wirklich revolutionär ist „Map of Tasmania“ nicht. Die Textzeile „They don’t play the song on the radio“ ist nicht viel mehr als ein augenzwinkerndes Kokettieren, weil im Mainstreamradio ein Peaches-Palmer-Hip-Hop-Lied ohnehin nicht gespielt würde und progressivere Sender wie FM4 das Lied natürlich ohne Scheu bringen. Die Textzeile „They don’t show the tits on the video“ hat man sehr ähnlich schon von den Scissor Sisters gehört. Und die Behaarungsdebatte lief nicht nur in Medien wie „Emma“, sondern auch in Breitenmedien bereits vor Jahren auf Hochtouren, sie ist eigentlich wieder verstummt. Man hat sich auf ein naheliegendes „Jeder, wie er will“ geeinigt. Der verspätete Videokommentar ist dennoch witzig.

Power Up - Female Pop Art. Kunsthalle Wien, Halle 1, noch bis 8. März, täglich 10.00 bis 19.00 Uhr, Donnerstag bis 21.00 Uhr.

„Let’s Talk About Sex“

Selbstbestimmte weibliche Sexualität ist auch das große Thema der aktuellen Ausstellung „Power Up - Female Pop Art“ in der Kunsthalle Wien (noch bis 8. März geöffnet). Dort läuft im Eingangsbereich der 1991er-Hit „Let’s Talk About Sex“ der Frauen-Hip-Hop-Truppe Salt’N’Pepa. In der Ausstellung geht es um Künstlerinnen, die es im männlich dominierten Kunstbetrieb nicht leicht hatten, wegen ihrer Darstellung von Sexualität aber auch von Feministinnen scharf kritisiert wurden (Penetration ist Unterwerfung).

Den Sex lassen sich auch Peaches und Palmer in ihrer Ode an die weibliche Intimzone nicht nehmen. Palmer singt mit Begeisterung: „Fuck it!“ Und dieses eine Mal ist das nicht als Schimpfwort gemeint, sondern als augenzwinkernde Aufforderung zu etwas Schönem.

Ladies of Hip Hop. 8. bis 12. März, jeweils 20.30 Uhr. KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterngasse 42.

Nackte Muskelprotze

Hip-Hop jenseits frauenverachtender Rollenklischees steht auch im Mittelpunkt der „Ladies of Hip Hop“-Performances und -Workshops rund um den Frauentag in Wien. Musikerinnen wie Tweetie, B-Girl Mega (Rock Steady Crew), DJ Reborn, Charlene Smith, Michele Byrd-McPhee, Nubian NeNe und Soulosophy (zusammen mit Youth und Queens of Style) treten auf und geben ihr Wissen an Interessierte weiter. Die Veranstaltungen verstehen sich als Kontrapunkt zur traditionell männlich dominierten Hip-Hop-Szene.

Von Graffiti über Breakdance bis hin zu DJ-Sets werden alle Bereiche der Hip-Hop-Kultur abgedeckt. Manchmal werden die Rollenklischees freilich auch einfach umgekehrt. Bei Charlene Smith tanzen statt weiblichen eben männliche Muskelnackedeis durchs Video. Warum auch nicht?

Wackeln mit Geschlechtsmerkmalen

Sex, aber ebenfalls anders insziniert als im sonstigen Lederstrapsschwulst, ist auch das implizite Thema eines Videos von Chilly Gonzalez, der im Dezember Peaches auf ihrer Peaches-Christ-Superstar-Tour begleitete. „You Can Dance“ heißt der Song, und man sieht darin Menschen mit primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen herumwackeln - züchtig bekleidet zwar, aber es bleiben dennoch keine Fragen offen.

Es wackelt auch ein Mann, und ein Gaffer wird geohrfeigt, also erübrigt sich die Sexismusdebatte. Was bleibt, ist der Spaß am Körper. Hier schließt sich die Klammer zu „Map of Tasmania“. Wer übrigens wissen will, warum der Song so heißt, soll sich einmal Tasmanien auf der Landkarte ansehen.

Simon Hadler, ORF.at

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