Themenüberblick

„Anarcho-Totalitarismus“

Die Koch-Brüder haben am wichtigsten Erfolg der US-Konservativen seit dem Abgang von Ex-Präsident George W. Bush wesentlichen Anteil. Vor allem mit der von David Koch im Jahr 2004 gegründeten Americans for Prosperity Foundation (AFP) wurden die Brüder zum Wegbereiter des jetzigen rechten Flügels der Republikaner, der „Tea-Party“-Bewegung.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Auch wenn AFP offiziell nichts mit der „Tea-Party“-Bewegung zu tun hat, gibt es offenbar enge Querverbindungen: Peggy Venable, eine AFP-Organisatorin, sagte im Vorjahr, Aufgabe von AFP sei es, die „Tea-Party“-Aktivisten „zu erziehen“ und sie für die nächsten Schritte auszubilden. In den Wochen vor der ersten „Tea-Party“ im April 2009 unterhielt AFP eine Website, auf der „Tea-Party“-Gesprächsthemen für Unterstützer aufgelistet waren, so der „New Yorker“ in seinem Feature über die Koch-Brüder.

Deregulierung oberste Maxime

Die Libertarian Party ist eine der größten Parteien nach Republikanern und Demokraten. Sie fordert einen möglichst ungeregelten Kapitalismus und möglichst wenig Staat - im Sozialbereich, aber auch bei Polizei und Justiz. Zu den bekanntesten Mitgliedern zählen der Schauspieler Kurt Russell und der Schöpfer der TV-Serie „South Park“, Trey Parker.

Klassischer Ansatz gescheitert

Die Ursprünge der „Tea-Party“-Bewegung lassen sich nicht zuletzt auf das Jahr 1979 zurückverfolgen. Damals versuchten die Kochs noch, mit einer klassischen Politkarriere ihre Ziele zu erreichen. In dem Jahr überredete Charles seinen Bruder David, als Vizepräsidentschaftskandidat an der Seite von Präsidentschaftskandidat Ed Clark für die Libertarian Party anzutreten. Das Interessante daran: Laut „New Yorker“ war die Kampagne des Jahres 1980 in vielem eine Vorwegnahme der „Tea-Party“-Bewegung. In einem Interview sprach Clark sogar bereits wortwörtlich davon, dass sich seine Partei darauf vorbereite, eine sehr große „Tea-Party“ steigen zu lassen, weil die Menschen der Steuern „völlig überdrüssig“ seien.

Die Partei forderte die Auflösung von FBI und CIA, der Börsenaufsicht SEC und des Energieministeriums. Letzteres wohl eine nicht ganz uneigennützige Forderung David Kochs, angesichts der eigenen Ölfirmen. Die Sozialversicherung sollte ebenso abgeschafft werden, wie Mindestlöhne und alle direkten Steuern und Körperschaftssteuern. Einzige Aufgabe der Regierung sollte die Wahrung der individuellen Rechte sein. William F. Buckley, ein traditionellerer Konservativer, bezeichnete die Bewegung laut „New Yorker“ als „Anarcho-Totalitarismus“.

Im November 1980 erhielten Clark und Koch ein Prozent der Stimmen. Das war zwar der größte Erfolg, den die Libertarian Party jemals bei Präsidentschaftswahlen einfahren konnte - um politisch etwas bewegen zu können, war es dennoch klar zu wenig. Die Kochs hätten verstanden, dass sie mit ihrer Art von Politik an Wahlurnen keinen Erfolg haben würden und hätten sich von der Öffentlichkeit zurückgezogen, so der „New Yorker“.

Die Think-Tank-Politik

Stattdessen begannen sie, zahlreiche politische Interessensorganisationen und Think-Tanks finanziell zu unterstützen oder zu gründen. Neben dem radikalliberalen Cato Institute gründeten die Koch-Brüder vor allem das Mercatus Center, an der George Mason University in Arlington, Virginia. Das „Wall Street Journal“ sprach vom „wichtigsten Think-Tank, von dem sie nie gehört haben“. So seien 14 von 23 Regulierungen, die Ex-Präsident George W. Bush auf eine Streichliste setzte, von Mercatus-Mitarbeitern gekommen.

Von Beginn seiner Präsidentschaft an kämpften die Koch-Brüder mit ihrem Netzwerk an Think-Tanks und Graswurzelbewegungen gegen Obamas Politik. Americans For Prosperity startete Demos gegen das milliardenschwere Konjunkturbelebungsprogramm. Der „Boston Globe“ nannte AFP die führende Gruppe, „um Rezessionsängste in Wut auf Obama umzumünzen“.

Ein Bericht von Mercatus kam zum Schluss, dass die Gelder großteils in demokratisch dominierte Wahlbezirke flössen. Der Autor musste sich später korrigieren - doch FoxNews und andere konservative Medien hatten zuvor längst die Anschuldigung weiterverbreitet. AFP gründete auch die Gruppe Patients United Now, die ihrerseits Hunderte Proteste im ganzen Land gegen Obama organisierte. AFP organisierte zudem laut „New Yorker“ mehrere Veranstaltungen gegen die von Obama ursprünglich geplante CO2-Gesetzgebung.

Unschuldige Prügelknaben?

David Koch beklagte sich in einem Interview mit dem „New York Magazine“ vor über einem Jahr und auch im Frühjahr im „Weekly Standard“, er und sein Bruder seien zu „Prügelknaben“ der „radikalen Medien“ geworden, die einen zu großen Einfluss auf die amerikanische Politik hätten. Charles Lews, Gründer der unabhängigen NGO Center for Public Integrity, dagegen betont: "Niemand sonst hat so viel Geld ausgegeben. Die Menge allein hebt sie von allen anderen ab. Sie folgen einem Muster „politischer Manipulation und Vernebelung“. Und: „Ich war seit Watergate in Washington und habe nie etwas Vergleichbares gesehen.“

Links: