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Steinerne Mienen bei Begräbnis

Die Multimilliardäre Charles und David Koch haben zwar unterschiedliche Charaktere, doch wenn es um die Firma und Politik geht, sind sie seit jeher auf einer - konservativen und ultraliberalen - Linie: Möglichst niedrige direkte Steuern und Unternehmenssteuern, nur ein minimales soziales Netz und viel weniger Aufsicht und Auflagen für die Industrie - insbesondere in puncto Umweltschutz.

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Die klare politische Linie hatten die Brüder praktisch mit der Muttermilch aufgesaugt. Ihr Vater, Fred Koch, hatte das Unternehmen gegründet. Nach einem Studium am Massachusetts Institute for Technology (MIT) erfand er 1927 ein effizienteres Verfahren zur Raffination von Erdöl. Da er in den USA bei keiner Erdölfirma Gehör fand, begann Koch in der Sowjetunion zu arbeiten. Sein Unternehmen bildete in den 1930er Jahren sowjetische Ingenieure aus und half Stalins Regime beim Bau von 15 Raffinerien. Als mehrere seiner sowjetischen Kollegen politischen Säuberungsaktionen zum Opfer fielen, kehrte Koch in die USA zurück und baute dort seine eigene Firma auf.

Industrieller David Koch

Corbis/WWD/Condé Nast

David Koch in der New Yorker Met

Showdown im Familienkonzern

Die Erfahrung in der Sowjetunion machte Fred Koch zu einem glühenden Antikommunisten und einen der Gründungsmitglieder der John Birch Society. Deren Mitglieder waren überzeugt, dass Präsident Dwight D. Eisenhower ein kommunistischer Agent war. Neben Charles und David hatte Fred Koch noch zwei weitere Söhne: Freddie und William, Letzterer ist der Zwillingsbruder von David. Charles, David und William folgten alle den Spuren ihres Vaters, studierten am MIT und traten ins Familienunternehmen ein. Freddie dagegen tanzte aus der Reihe und studierte Dramaturgie an der Yale University.

1980 kam es zum familiären Showdown: Charles war mit dem steigenden wirtschaftlichen Erfolg des Konzerns in den 1970er Jahren zur klaren Nummer eins in der Firmenhierarchie geworden, assistiert von David. Doch William versuchte mit Hilfe von Freddie, Charles zu entmachten, da er ihrer Meinung nach die alleinige Kontrolle übernommen hatte und zu bestimmend geworden war.

Doch der Versuch scheiterte: Die Konzernführung schlug sich auf Charles’ Seite und feuerte den Renegaten William. Es folgte ein mehrjähriger Rechtsstreit und 1983 die Ausbezahlung der Anteile von William und Freddie - immerhin fast eine Milliarde Dollar. Doch der legistische Kampf dauerte noch 17 weitere Jahre an - beim Begräbnis der Mutter gingen die zerstrittenen Brüderduette angeblich mit versteinerten Mienen aneinander vorbei.

Freddies Österreich-Connection

Freddie zog schließlich nach Monaco und kaufte historische Anwesen in Frankreich, Österreich und anderswo auf und sammelte Kunst und Antiquitäten. Unter anderem gehört Freddie Koch Schloss Bluhnbach in Salzburg, ein ehemaliges Jagdschloss von Erzherzog Franz Ferdinand. William dagegen gründete seine eigene Firma - Oxbow - und widmete sich dem Segeln. Laut „New Yorker“ gab er geschätzte 65 Millionen Dollar aus, um 1992 den America’s Cup zu gewinnen.

Charles blieb trotz seines großen ökonomischen Erfolgs, der „mehr als phänomenal“ war (so ein Investmentbanker gegenüber dem „New Yorker“, Anm.), mit seiner Familie in Wichita und sorgte dafür, dass praktisch nichts über seine Person an die Öffentlichkeit drang. David dagegen zog es nach New York. Er galt von jeher als umgänglicher und kaufte ein Haus, in dem er Partys gab, die die Website New York Social Diary als die „Ostküstenversion von Hugh Hefners Partys“ bezeichnete. Trotz seiner offeneren Art und der urbaneren Lebensweise herrscht zwischen den Brüdern offenbar aber weiter völlige Übereinstimmung - wie Brian Doherty vom Magazin Reason dem „New Yorker“ bestätigte, der die Brüder einmal interviewte.

Schwieriger Interessenkonflikt

Seit David Koch als einziger Passagier der Business Class 1991 einen Flugzeugcrash in Kalifornien schwer verletzt überlebte und kurz darauf auch Prostatakrebs diagnostiziert wurde, änderte er sein Leben radikal - und begann sich stark als Philanthrop zu engagieren. Neben Kunstinstitutionen bedachte Koch auch die Krebsforschung mit Millionen. Doch auch hier gibt es Interessenskonflikte, so der „New Yorker“. Während sich David Koch für den Kampf gegen Krebs starkmachte, betrieb der Konzern Lobbying, um die Klassifizierung von Formaldehyd als krebserregenden Stoff zu verhindern. Seit der Übernahme von Georgia-Pacific im Jahr 2005 ist Koch Industries einer der großen Produzenten der Chemikalie.

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