Konten, Investments, Beteiligungen
Die USA haben am Montag 30 Milliarden Dollar (knapp 22 Mrd. Euro) an libyschen Guthaben eingefroren, die Briten hatten diesen Schritt schon am Wochenende gemacht. In Österreich wurden Konten mit 1,2 Milliarden Euro auf Eis gelegt. Heikel wird die Sache in Italien, wo sich das Regime mit seinen Öldollars in namhafte Konzerne eingekauft hatte.
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Oppositionelle schätzen das Vermögen der Familie des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi auf 80 bis 150 Milliarden US-Dollar (58 bis 109 Mrd. Euro). Genauere Zahlen gibt es kaum, auch weil das Netzwerk der Personen, Unternehmen und Veranlagungen kompliziert ist.
Denn abgesehen von Barvermögen der Al-Gaddafi-Familie und ihrer Vertrauten sind sie in Unternehmen und Stiftungen vertreten. Und sie sind verstrickt in die staatliche Investmentgesellschaft Libyan Investment Authority (LIA), die Central Bank of Libya und den staatlichen Ölkonzern NOC.
Italien berät über libysche Gelder
Italien diskutiert mehreren Zeitungsberichten zufolge zudem Möglichkeiten, libysche Beteiligungen an italienischen Konzernen auf Eis zu legen. Die Regierung wolle damit dem Risiko betrügerischer Machenschaften seitens der libyschen Führung entgegentreten, berichtete die Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“. Die Anteile von Tripolis an italienischen Konzernen belaufen sich auf rund 3,6 Milliarden Euro.
So ist Tripolis mit etwa 7,5 Prozent der größte ausländische Aktionär der Mailänder Großbank und Bank-Austria-Mutter UniCredit. Die Gesamthöhe der libyschen Beteiligung hatte im September 2010 die italienische Zentralbank veranlasst, Aufklärung zu verlangen. Verkaufsgerüchte drücken nun auf den Kurs der UniCredit-Aktie.
Anteile an Juventus Turin
Im Jänner 2011 wurde bekannt, dass die staatliche Investmentgesellschaft mit 2,01 Prozent bei dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern Finmeccanica eingestiegen war. Mit einem Anteil von 7,5 Prozent ist Libyen auch am Fußballclub Juventus Turin beteiligt. 2002 hatte sich die Familie über die Investmentfirma Lafico für damals 22,9 Millionen Euro eingekauft. Das Engagement führte vor einigen Jahren sogar dazu, dass der italienische Supercup in der Hauptstadt Tripolis stattfand.
Libyen hält Medien zufolge zudem über eine Investmentgesellschaft noch einen Anteil von unter zwei Prozent an Fiat. Von 1976 bis 1986 hielt man sogar 15,2 Prozent der Fiat-Anteile.
Österreich friert 1,2 Mrd. ein
Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) veröffentlichte am Dienstag eine Verordnung zu jenen 26 Personen, deren „sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen“ eingefroren werden. Darunter fallen Al-Gaddafi selbst, seine Frau, seine acht Kinder, Schwager und zwei Cousins, weiters hohe Funktionäre aus Militär und Geheimdienst und Personen, denen Teilnahme an der Gewaltanwendung gegen Anti-Regierungsdemonstranten in Libyen vorgeworfen wird. Am Freitag dürften noch die Konten des Managers Mustafa Zarti dazukommen, der vor kurzem ebenfalls ins Blickfeld der Behörden geraten ist.
Laut OeNB liegen auf Konten der österreichischen Banken 1,2 Milliarden Euro an libyschen Einlagen. Noch ist nicht geklärt, wie viel dieses Geldes den Namen auf der Sanktionenliste zuzuordnen ist. Nach Angaben aus Bankenkreisen ist zudem die Zuordnung von Konten schwierig, die nicht direkt mit diesen Namen in Zusammenhang gebracht werden können, sondern über andere Konstruktionen (Stiftungen) bzw. Strohmänner liefen. Vermutet werden neben Depositen auch Vermögensbestandteile wie Immobilien und Firmenbeteiligungen. Zusammengenommen sollen bis zu 22 Mrd. Euro in Österreich versteckt sein.
Größte blockierte Summe in US-Geschichte
Die USA froren 30 Milliarden Dollar (knapp 22 Mrd. Euro) an libyschen Geldern ein - die größte Summe, die jemals im Rahmen von Sanktionen blockiert worden sei, so David Cohen, ein ranghoher Vertreter des US-Finanzministeriums in Washington. Betroffen seien sowohl Vermögenswerte des Al-Gaddafi-Clans als auch Staatsgelder, vor allem der libyschen Zentralbank. Die Summe der auf US-Konten eingefrorenen Gelder könnte sich laut Cohen noch erhöhen, falls die US-Banken auf weitere Guthaben stießen, die unter die Sanktionen fielen.
Großbritannien hatte am Samstag das Vermögen von Al-Gaddafi und das seiner Kinder gesperrt, wie Schatzkanzler George Osborne am Sonntag bekanntgab. Zu dem auf viele Millionen Pfund geschätzten Vermögen in Großbritannien gehören Kontobestände, Immobilien und Beteiligungen an Firmen, darunter drei Prozent am Medienunternehmen Pearson („Financial Times“).
Kompliziertes Investnetzwerk
Die Schweiz hatte die Vermögenswerte des Regimes bereits am 24. Februar gesperrt. Ob und wie viel Geld Al-Gaddafi in der Schweiz angelegt hat, ist unklar. Größter Vermögenswert in der Schweiz dürfte die Ölfirma Tamoil sein - mit einem Netz von über 300 Tankstellen und einer eigen Raffinerie im Kanton Wallis. Sie gehört zur niederländischen Oilinvest, die wiederum dem LIA gehört.
Deutschland sperrte am Dienstag die ersten zwei Millionen, die ein Sohn des Machthabers auf einem Konto hatte. Zudem wird vermutet, dass das Regime zahlreiche weitere Konten und Investments in anderen Ländern, unter anderem in Steueroasen und in arabischen Golfstaaten, hat.
Zahlreiche Beteiligungen
Einige Aufschlüsse über das Vermögen des Clans gewähren die Depeschen der US-Botschaft in Tripolis, die kürzlich von der Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlicht worden waren. Demnach hat die Familie Beteiligungen in den Sektoren Öl, Gas, Telekommunikation, Infrastruktur und Bau, Hotels, Presse- und Konsumgütervertrieb.
Einige der Söhne von Al-Gaddafi sollen gelegentlich ohne Absprache mit dem Vater beim Chef der nationalen Öllgesellschaft, Schukri Ghanem, vorstellig geworden sein. Dort forderten sie mit einigem Nachdruck Millionen aus dem Ölgeschäft für ihre privaten Zwecke. Alternativ schlugen sie vor, ihnen das Öl direkt abzutreten.
Sohn Saif al-Islam war zudem über seine Firma One-Nine Petroleum an den Einnahmen aus dem Ölgeschäft beteiligt. Seine Schwester Aischa soll eine Privatklinik in Tripolis besitzen. Am staatlich kontrollierten Telekom- und Internetgeschäft verdiente Mohammed al-Gaddafi. Al-Saadi stieg in den Immobilien- und Tourismussektor ein. Um die Coca-Cola-Lizenz soll es Streit unter den Brüdern al-Saadi, Mohammed und Muatassim gegeben haben. Wie groß der Teil der Gewinne ist, die vom Al-Gaddafi-Clan ins Ausland gebracht wurden, ist noch nicht klar.
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