Antike Stätte soll Tourismus ankurbeln
Im Irak setzt man viel daran, den Tourismus wieder anzukurbeln. Als Herzstück gilt in dem an antiken Stätten reichen Land die weltbekannte Stadt Babylon. Mit deren Wiederaufbau erhofft man sich, akademische Reisende wie auch normale Urlauber anzusprechen. Warum können wir unsere Geschichte nicht wie Ägypten vermarkten?, lautet der Tenor.
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Die Grundstimmung ist bisher positiv: Die Restaurierung von zwei Grundstrukturen, gefördert durch zwei Millionen Dollar aus dem US-Außenministerium, ist am Laufen, ein Museum bereits wiedereröffnet. Babylon gilt als das erste und größte archäologische Projekt im Irak. Vorrangiges Ziel ist es, die vorhandenen Ruinen zu stabilisieren und vor weiterem Verfall zu schützen.
In Bibel mehrfach erwähnt
Ursprünglich als Babel bekannt, wird Babylon im Alten wie im Neuen Testament erwähnt. Die Stadt war Schauplatz des babylonischen Turmbaus und kommt in einigen biblischen Prophezeiungen vor.
Lernen von Babylon als weiteres Ziel
Besonderes Augenmerk legen die Archäologen auf das Ischtar-Tor, das im sechsten Jahrhundert vor Christi Geburt von Nabopolassar, dem Vater des legendären Herrschers Nebukadnezar, errichtet wurde und mit Reliefen der babylonischen Gottheiten Marduk und Adad geschmückt ist. Das Original befindet sich allerdings seit 1930 im Pergamonmuseum in Berlin. Daneben steht der Nabu-scha-hare-Tempel im Fokus, wo Rekonstruktionsarbeiten aus der Saddam-Ära als problematisch, aber rückbaubar gelten.
Hat das Babylon-Projekt Erfolg, sollen andere Stätten wie das legendäre Ur, die Hauptstadt des antiken Sumer, folgen. In Babylon, dessen legendäre Hängende Gärten einst zu den sieben Weltwundern zählten, will man auch lernen, wie man antike Städte richtig vermarktet. Die Erkenntnisse sollen dann ebenfalls auf die anderen historischen Stätten des Landes angewendet werden.
Wichtiges Signal durch Bekanntheit
Obwohl Babylon nicht notgedrungen zuoberst auf der To-do-Liste von Archäologen stehen muss, war der Beginn der Restaurierung ein wichtiges, auch internationales Signal. Babylon ist eine der weltweit bekanntesten antiken Städten und auch von großer symbolischer Bedeutung für die Iraker selbst.
Babylon soll laut einem Sprecher des zuständigen Ministeriums künftig eine Schlüsselrolle im irakischen Tourismus spielen. Es wird sogar überlegt, einen Flughafen nahe der historischen Stätte zu bauen.
Narben der Vergangenheit
Das US-Militär errichtete im Zuge des Irak-Kriegs in Babylon eine Basis, in die später alliierte polnische Truppen einzogen. 2004 wurde die Stätte wieder der irakischen Altertumsbehörde übergeben. Die militärische Präsenz hat Spuren hinterlassen. Zusätzlich setzen der historischen Stätte salziges Grundwasser, Erosion und der Aufbau mit neuen Ziegeln in der Saddam-Ära zu.
„Könnten die gesamte Stadt ausgraben“
Babylon ist allerdings eine gewaltige Herausforderung für die Archäologen. Es gebe noch sehr viel zu tun. Man könnte den Grundriss der gesamten Stadt ausgraben, so Allen. Wichtige Gebäude sollten auch wiederaufgebaut werden, um Touristen anzuziehen. Auch an neuen Stellen will man vermehrt graben, allerdings im Geheimen, um der Aufmerksamkeit von Plünderern zu entgehen.
Ein Konservierungsplan, der dem weiteren Verfall der aus Lehmziegeln bestehenden Ruinen entgegenwirken soll, wurde bereits erstellt. Computerscans des Geländes dokumentieren den Schaden an den Ruinen und zeigen die am meisten in Mitleidenschaft gezogenen Stellen.
Saddams Traum - ein Alptraum für Archäologen
Auf besondere Schwierigkeiten stoßen die Archäologen bei den „Rekonstruktionen“ aus den 80er Jahren. Diese gelten unter den Wissenschaftlern als „haarsträubend“ und „schlecht gemacht“ und müssen nun wieder abgetragen bzw. zurückgebaut werden. Als Quelle dafür dienen alte Bilder der Stätte aus der Zeit, bevor Diktator Saddam Hussein Babylon für propagandistische Zwecke Mitte der 1980er Jahre entdeckte.
Saddam ließ damals seinen Traum des antiken Babylon Wirklichkeit werden und einen riesigen Palast über der Stadt errichten, in der einst Nebukadnezar II. regiert hatte. Alleine der Abriss des „Fantasiepalastes“ soll einige Millionen Dollar kosten. Auch Mauern und Gebäude ließ Saddam „nachbauen“, mit der antiken Stadt hatten sie oft allerdings herzlich wenig zu tun.

AP/Karim Kadim
Warnung vor Themenpark
Die Entwicklung ist ein Balanceakt zwischen der Notwendigkeit, Babylon so gut wie möglich vor modernen Einflüssen zu schützen, und dem Versuch, auch auf die Bedürfnisse der Bevölkerung einzugehen, die die Stätte so gut wie möglich vermarktet sehen will. Experten warnen auch vor einer „Disneyfizierung“ des Geländes: Babylon solle kein historischer Unterhaltungspark werden, so die Mahnungen.
Ein Problem, das laut Jeff Allen, Denkmalpfleger im Auftrag des World Monuments Fund (WMF), so nicht gegeben ist. „Bei der archäologische Stätte muss man einerseits mit den authentischen Überresten umgehen und diese so gut wie möglich erhalten. Gleichzeitig versucht man allerdings auch, Möglichkeiten für das wirtschaftliche Wachstum der Region zu eröffnen“, so Allen. Der WMF arbeitet eng mit den irakischen Altertumsbehörde zusammen.
Rennen gegen die Zeit
Doch bevor der Massentourismus an den antiken Stätten Einzug hält, ist offenbar noch viel zu tun. Ein großes Problem ist nach wie vor die Sicherheit der Reisenden, radikale Splittergruppen treiben immer noch ihr Unwesen. Aus archäologischer Sicht ist es ein Rennen gegen die Zeit. Noch ist das Erscheinungsbild des rund 2.500 Jahre alten Babylon von Wachtürmen und Einzäunungen geprägt. Auch zahllose Erdhügel weisen auf die Ausgrabungen hin. Es sei noch sehr viel gar nicht ausgegraben und wissenschaftlich erfasst, so Allen.
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