Schweiz sperrt Al-Gaddafi-Konten
Libyen steht unmittelbar vor einem politischen Umsturz. Das Regime von Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi bröckelt. Wie schon in den Nachbarländern Tunesien und Ägypten konnte auch hier der herrschende Clan über die Jahrzehnte ein unglaublich großes Vermögen zusammenraffen. Der Großteil der Gelder dürfte im Ausland sein - wo genau, das versucht man nun herauszufinden.
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Als eines der ersten Länder hat die Schweiz am Donnerstag bekanntgegeben, dass sie allfälliges Vermögen der Al-Gaddafi-Familie einfrieren wolle. Damit soll jegliches Risiko einer Veruntreuung von staatlichem libyschem Eigentum vermieden werden, teilte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten mit.
Auch der Verkauf und jegliche Veräußerung von Gütern - namentlich von Immobilien - dieser Personen sei ab sofort verboten. Die entsprechende Verordnung tritt ab sofort in Kraft und hat eine Gültigkeit von drei Jahren. Auf der Liste aufgeführt sind neben Al-Gaddafi selbst 28 weitere Personen, darunter Ehefrau Safia Farkasch sowie die Söhne und die Tochter Al-Gaddafis. Auch Gelder von weiteren Verwandten und von libyschen Wirtschaftsführern sind ab sofort blockiert.
Auch Großbritannien erwägt Sperrung
Nach der Schweiz könnte auch Großbritannien laut einem Medienbericht bald Vermögen Al-Gaddafis in Milliardenhöhe sperren. Die britischen Finanzbehörden hätten eine Einheit gebildet, um Al-Gaddafis Vermögen in Großbritannien aufzuspüren, berichtete die Tageszeitung „Telegraph“ am Freitag. Al-Gaddafi habe möglicherweise Vermögen im Wert von 20 Milliarden Pfund (23,5 Mrd. Euro) in Großbritannien. Es solle „innerhalb von Tagen“ gesperrt werden. Unter den Vermögenswerten sollen sich laut „Telegraph“ Konten, Gewerbeimmobilien und ein Haus in London im Wert von umgerechnet 11,6 Millionen Euro befinden.
Nach Streit Milliarden aus der Schweiz abgezogen
Die Schweiz hat unterdessen im Sperren von Konten mittlerweile Übung. In den vergangenen Wochen hatte Bern bereits vorsorglich mögliche Vermögenswerte des gestürzten tunesischen Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali und des ehemaligen ägyptischen Machthabers Hosni Mubarak eingefroren.
Dabei dürfte die Schweiz als Unterbringungsort für die Al-Gaddafi-Milliarden eher eine untergeordnete Rolle spielen. Im Zuge der diplomatischen Krise wegen der Verhaftung von Al-Gaddafi-Sohn Hannibal in Genf vor zwei Jahren hat sein Vater aus Rache rund vier Milliarden von Schweizer Bankkonten abgezogen.
Doch das ist nur ein verschwindend geringer Teil des auf 150 Milliarden Dollar geschätzten Vermögens. Wohin die Gelder verschwunden sind, darüber gibt es bisher nur Spekulationen. Aber auch Österreich wird genannt.

APA/Gert Eggenberger
Der verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider war eng mit der Al-Gaddafi-Familie befreundet. Mehrmals traf er den Diktator persönlich.
Enge Kontakte zu Österreich
Gerade die engen persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Österreich legen nahe, dass auch die eine oder andere Million auf heimischen Konten landete. Grünen-Finanzsprecher Werner Kogler fordert daher auch die Banken dazu auf, rasch zu handeln und die Gelder einzufrieren. Doch der Zugriff auf ausländisches Vermögen sei nicht so leicht möglich, hieß es gegenüber der ZIB aus dem Finanzministerium. Für das Einfrieren von Konten sei ein EU-Beschluss notwendig - mehr dazu im ZIB-Beitrag in tvthek.ORF.at.
Dass es durchaus Versuche gab, Gelder in Österreich zu investieren, zeigt das Beispiel des heimischen Ziegelherstellers Wienerberger. Libyen wollte vor einiger Zeit einen zehnprozentigen Anteil des Unternehmens erwerben, aber das Geschäft kam nicht zustande. Beim Unternehmen selbst weiß man nicht, ob Libyen noch Anteile hält. Wenn ja, dann lägen die aber unter fünf Prozent, erklärte ein Unternehmenssprecher am Dienstag.
Italien bremst bei Sanktionen
Vonseiten der EU droht Al-Gaddafi auf jeden Fall wenig Gefahr. Die Länder konnten sich auch am Donnerstag nach langen Beratungen nicht zu einem geschlossenen Vorgehen durchringen. Vor allem Italien sträubt sich gegen Sanktionen gegen Libyen. Grund dafür dürften vor allem die engen wirtschaftlichen Beziehungen zu Libyen sein und die Sorge vor einer Flüchtlingswelle. Italiens Außenminister Franco Frattini zeigte sich in einem Interview mit der „Financial Times Deutschland“ (Freitag-Ausgabe) zudem skeptisch, wie wirkungsvoll Sanktionen sein könnten. Sowohl das Einfrieren libyscher Auslandsguthaben in der EU als auch Reisebeschränkungen seien wirkungslos, so Frattini.
Milliarden in den USA angelegt?
Ein nicht unwesentlicher Teil des Geldes soll auch in den USA sein. Laut einer US-Botschaftsdepesche, die der Enthüllungsplattform WikiLeaks vorliegt, sollen 32 Milliarden Dollar (23 Mrd. Euro) über den libyschen Staatsfonds (LIA) bei verschiedenen US-Banken angelegt sein. Verschiedene Institute verwalteten jeweils bis zu 500 Millionen Dollar, heißt es weiter. Die Depesche bezieht sich auf Inhalte eines Treffens des Staatsfonds-Chefs Mohammed Lajas mit dem ehemaligen US-Botschafter Gene Cretz im Jänner in Tripolis.
Schätzungen zufolge verfügt LIA über Vermögenswerte im Volumen von etwa 70 Mrd. Dollar. Er hält Anteile an der italienischen Bank UniCredit und dem britischen Verlagshaus Pearson. Der Depesche zufolge ist LIA auch mit mehreren hundert Millionen Dollar bei der in London ansässigen Beteiligungsgesellschaft FM Capital Partners engagiert.
Vermögen unter Palmen
Finanzexperten gehen jedoch davon aus, dass der Großteil der Gelder in sogenannten „Offshore-Finanzzentren“ geparkt sind, wie Caspar von Hauenschild von der Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) gegenüber dem „Spiegel“ erklärte. Sei Vermögen erst einmal in Steuerparadiesen wie den Cayman-Inseln oder den British Virgin Islands angelegt, sei es so gut wie unauffindbar, vor allem wenn Al-Gaddafi sein Geld über Mittelsmänner angelegt habe, erklärte Hauenschild.
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