Von Handys und Ökosystemen
Kaum eine Branche dreht sich so schnell wie die des Mobilfunks. Das zeigt sich auch heuer wieder auf der Mobilfunkmesse Mobile World Congress (MWC) in Barcelona. Während Nokias Kooperation mit Microsoft Thema auf den Gängen zwischen den Hallen ist, dominiert auf den Messeständen Googles Handybetriebssystem Android das Geschehen.
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Letztes Jahr hatte Google noch mit geschenkten Handys für alle Besucher seiner Entwickler-Sessions für Gesprächsstoff gesorgt. 2011 ist der Anbieter schon selbstbewusster: In einem eigenen Bereich in der größten Halle des MWC in Barcelona wird die breite Unterstützung der Industrie für das freie Betriebssystem „spielerisch“ demonstriert.
„Schnitzeljagd“ nach Pins
Auf einem Laufband werden aktuelle Geräte präsentiert, an den um überlebensgroße thematisch unterschiedliche Android-Figuren drapierten Infoständen zeigen Firmen und Entwickler ihre Software und Services. Wer sich eine Präsentation ansieht (oder lange genug nachfragt), bekommt einen Pin. Insgesamt 86 unterschiedliche Pins gibt es, sie werden an verschiedenen Tagen und Ständen verteilt. Wer alle haben will, muss sich auf eine Art Schnitzeljagd über das Messegelände des MWC begeben, zu kaufen gibt es die Pins nämlich nicht.
Nicht nur mit diesem viralen Marketinggag schafft es Google heuer, zum Gesprächsstoff des MWC zu werden: An allen Ständen namhafter Handyhersteller ist das vergleichsweise junge Betriebssystem zu finden. Samsung, HTC, Sony Ericsson, LG – sie alle haben Android in ihr Portfolio aufgenommen, egal ob für Handys oder Tablet-Computer.

ORF.at/Nadja Igler
Aussteller auf dem Android-Messestand
Android auf Handys und Tablets
Manche Hersteller, wie Samsung, verfolgen bei Handys noch eine Multiplattform-Strategie, in dem Fall mit dem selbst entwickelten Bada, Googles Android und Windows Phone 7. Bei Tablets gibt es weniger Alternativen zu Apples iOS, wenn man nicht wie Research in Motion (RIM) selbst ein Betriebssystem entwickeln möchte. Bei Tablets setzen daher Samsung wie auch LG ganz auf Android, Google hat dafür mit Honeycomb sogar eine eigene Version entwickelt.
„Wir wollen uns als Markenanbieter und Premium-Smartphone-Alternative zu Apple positionieren“, so Martin Wallner, bei Samsung Österreich für den Bereich Telekommunikation zuständig, über Samsungs Strategie. Während Windows Phone 7 aufgrund der strikten Hardwareanforderungen ein reines Premiumprodukt sei und Bada auf den Einsteiger- bis mittleren Bereich abziele, bietet sich Android laut Wallner für den mittleren bis Premiumbereich an – und das zu günstigeren Preisen und mit mehr Möglichkeiten bei der Adaptierung.

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LGs Tablet Optimus Pad
High-End-Bereich verspricht Umsatz und Prestige
Laut Wallner ist im High-End-Bereich bei Handys mehr zu verdienen – einerseits beim Umsatz, aber auch in Sachen Prestige. Das hat Apple bereits eindrucksvoll mit seinem iPhone demonstriert. In der breiten Masse der Einsteigerhandys würden hingegen billige chinesische Hersteller das Ruder übernehmen, so Wallner – hier werde um jeden Euro gekämpft. Zudem wächst der Smartphone-Markt noch.
Dass Apple nun seinerseits laut jüngsten Gerüchten ein günstigeres Einsteigerhandy auf den Markt bringen will, mutet auf den ersten Blick vielleicht paradox an, doch auch Apples rigorose Geschäftspolitik hat ihre Grenzen: Android bedroht laut jüngsten Marktzahlen Apples bisherigen Verkaufserfolg, mit einem günstigeren Gerät könnte Apple seinerseits versuchen, rechtzeitig neue Käuferschichten anzusprechen, um sein Ökosystem weiter auszubauen.
Das Ökosystem rund ums Handy zählt
Ökosystem – das ist auch eines der großen Schlagworte in Barcelona. Es geht nicht mehr nur alleine um Handys, sondern um zusätzliche Services - „Value added Services“, wie die Betreiber und Hersteller gerne sagen. Hier hat Apple gezeigt, dass die Anwender offenbar bereit sind, für zusätzliche Dienste oder Apps zu zahlen und hat die Mobilfunker, ehemals führend in diesem Bereich, völlig davon abgeschnitten. Diese drohen einmal mehr zu reinen Zugangsanbietern zu verkommen.
Mit Android wittern die Handyhersteller nun ihrerseits die Möglichkeit, eigene Contentstores, Services und Features an den zahlenden Nutzer bringen zu können. Laut Nokia-Chef Stephen Elop geht der zusätzliche Wert rund um Android aber vor allem Richtung Google, das ja vor allem mit Werbung sein Geld verdient. Daher habe sich Nokia auch gegen Android entscheiden - und weil Nokia Angst habe, in der Masse der Android-Entwickler unterzugehen.
Zweikampf zwischen Android und Apple
Mit dem Wegfall von Nokias Symbian ist der Kampf zwischen Apples iOS und Googles Android nun vollends entbrannt - und das Schlachtfeld sei „blutig“, so Wallner. 2011 werde es eine wahre Smartphone-Schwemme geben, auch Tablets sagen Analysten nach wie vor eine große Zukunft vorher. Selbst wenn diese nicht eintritt, so kommt heuer zumindest eine kleine Flut von Tablets auf den Markt. Der Großteil all dieser Geräte wird mit Android ausgeliefert und Google damit auf dem Mobilfunkmarkt einen gehörigen Anteil verschaffen - so nicht die Konkurrenz und der Markt rechtzeitig gegensteuern.

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Ein „Dinosaurier“ des Mobilfunks: Nokia Communicator
Ob die Allianz von Nokia und Microsoft die Kraft dazu hat, wird von manchen Beobachtern bezweifelt, andere wie der ehemalige Nokia-Chef in Spanien sind überzeugt, dass es beide Firmen gemeinsam schaffen werden. Allzu viel Zeit haben sie nicht - das Beispiel Siemens zeigt, wie schnell man im Mobilfunk den Anschluss verlieren kann.
Nadja Igler, ORF.at aus Barcelona
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