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Das Mädchen und der Kopfgeldjäger

„True Grit“, der neue Film von Joel und Ethan Coen, erzählt die Geschichte der 14-jährigen Mattie Ross (Hailee Steinfeld), die fest entschlossen ist, den kaltblütigen Mord an ihrem Vater zu rächen. Da ihr die Behörden nicht helfen, wendet sie sich an den abgehalfterten US-Marshal Rooster Cogburn (Jeff Bridges), der ihr als Mann mit echter Schneid („true grit“) vorgestellt wird.

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Für 100 Dollar engagiert sie den einäugigen Trunkenbold, der Tom Chaney (Josh Brolin), den feigen Mörder ihres Vaters, finden und an den Galgen liefern soll. Widerwillig lässt sich Cogburn auf den Deal ein und wird schließlich nicht nur von der kleinen Draufgängerin, sondern auch vom selbstverliebten Texas Ranger und Kopfgeldjäger LaBoeuf (Matt Damon) begleitet.

Auf dem Weg durch die Prärie trennt sich das unfreiwillige Dreiergespann, nur um sich später nach mehreren mit Leichen gepflasterten Irrwegen wieder gegen das Böse zu verbünden. Ein gezielter Schuss entscheidet am Ende über Leben und Tod, wie es sich für einen richtigen Western gehört.

Schauspieler Hailee Steinfeld und Jeff Bridges in einer Szene aus "True Grit"

2010 Paramount Pictures/Lorey Sebastian

Jeff Bridges und Hailee Steinfeld auf ihrem gemeinsamen Rachefeldzug

Kein bloßes Remake

„True Grit“ ist die zweite Verfilmung des gleichnamigen Romans von Charles Portis aus dem Jahr 1968. Im ersten Film, der 1969 in die Kinos kam und den deutschen Titel „Der Marshal“ trägt, spielte der alternde John Wayne die Rolle des Rooster Cogburn, für die er mit seinem einzigen Oscar ausgezeichnet wurde. Die Neuverfilmung der Coen-Brüder sollte kein bloßes Remake werden, sondern eine Verneigung vor dem Buch, das sich laut Hauptdarsteller Bridges wie ein Drehbuch der Coen-Brüder lese.

Figuren mit Dachschäden

Die Charaktere des Films sind einerseits wie dem Handbuch für Western-Klischees entsprungen, andererseits wären es nicht die Coen-Brüder, gäbe es da nicht die kleinen Dachschäden, die den einzelnen Figuren das gewisse Etwas verleihen. So verkörpert Bridges nicht etwa den schweigsamen Revolverhelden a la Clint Eastwood, sondern gibt wieder einmal den stets betrunkenen, redseligen Desperado ohne Manieren.

Bridges spielt seine Rolle so überzeugend, dass man beinahe glaubt, den Whisky und die alten Socken riechen zu können. Damon - mit einem mächtigen Schnauzbart fast unkenntlich gemacht – ist als Texas Ranger weniger Gesetzeshüter als vielmehr Mädchen verprügelnder Ungustl.

Ganoven und Galgenhumor

Der wahre Star des Films ist jedoch die vierzehnjährige Steinfeld, die ihre älteren Kollegen mühelos an die Wand spielt und alles andere als die Unschuld vom Lande ist. Selbstbewusst und gar nicht zimperlich reitet sie durch eine unwirtliche Landschaft, die von allerlei skurrilen Figuren bevölkert wird. Seltsame Medizinmänner, zahnlose Tagelöhner und unbarmherzige Ganoven zeigen unter anderem, wo der Begriff „Galgenhumor“ seinen Ursprung findet.

Schauspieler Hailee Steinfeld und Jeff Bridges in einer Szene aus "True Grit"

2010 Paramount Pictures/Lorey Sebastian

„True Grit“ wurde bei den Golden Globes übergangen, zählt mit zehn Nominierungen aber zu den Favoriten der heurigen Oscar-Verleihung.

Unbeeindruckt vom Oscar-Trubel

Als Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale begeisterte „True Grit“ das europäische Publikum ebenso wie die Zuschauer in den USA, wo der Film sich mit 150 Mio. Dollar Kasseneinnahmen zum Überraschungshit entwickelte.

Bridges und Steinfeld sind für den Oscar nominiert, ebenso wie die Coen-Brüder selbst in den Kategorien bester Film, beste Regie, beste Drehbuchadaption. Gerne werden die Brüder ihrem Image als Hollywood-Außenseiter gerecht und lassen sich dem Vernehmen nach von Veranstaltungen wie der Oscar-Verleihung wenig beeindrucken: „Gehst du hin ... oder muss ich?“

Wiederbelebung eines Genres

„True Grit“ ist ein düsterer Film voller romantischer Sonnenuntergänge, abgehackter Finger und pfeifender Revolverschüsse – der Ikonographie und dem Spirit des klassischen Western verbunden. Den Coen-Brüdern ist damit die Wiederbelebung eines totgesagten Genres gelungen. Wer hätte dieses Vorhaben eleganter und überzeugender umsetzen können?

Sonia Neufeld, ORF.at

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