Wird Ölversorgung unterbrochen?
Der Aufstand in Libyen hat nun auch direkte wirtschaftliche Auswirkungen. Der Preis der Ölsorte Brent schnellte am Montag zwischenzeitlich auf den höchsten Stand seit dem Ausbruch der Finanzkrise im September 2008.
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In New York stieg der Preis für Öl angesichts der drohenden Unterbrechung der Versorgung aus dem wichtigen Ölförderland um 2,68 Dollar auf 88,88 Dollar (64,87 Euro). Öl der Marke Brent in London kletterte auf 103,9 Dollar, hatte sich aber zuvor mit 104,6 Dollar der 105-Dollar-Marke genähert. Das OPEC-Mitglied Libyen produziert täglich 1,6 Mio. Barrel Rohöl, wovon etwa 1,1 Mio. Barrel pro Tag exportiert werden, so die Analysten der Commerzbank.
Drohung mit Lieferstopp
Der Führer des Al-Suwajja-Stammes drohte damit, die Ölversorgung zu unterbrechen, sollte das blutige Vorgehen der Armee nicht aufhören. Mehrere Armee-Einheiten sollen bereits zur Opposition übergelaufen sein, und mehrere Stammesführer sprachen sich gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi aus. Doch am Montag griffen die Unruhen auch auf die Hauptstadt Tripolis über - Regierungsgebäude standen in Flammen. Allein bei Zusammenstößen in der Nacht auf Montag sollen 60 Menschen getötet worden sein. Selbst die Drohung von Al-Gaddafis Sohn Saif al-Islam, das Regime werde „bis zum letzten Mann“ kämpfen, konnte offenbar den Aufstand nicht einbremsen.
Flucht ins Gold
Viele Anleger flüchteten ins Gold, das in Krisenzeiten als sichere Anlage gilt. Die Feinunze verteuerte sich auf mehr als 1.400 Dollar (1.021 Euro) und war damit so teuer wie seit Anfang Jänner nicht mehr. Auch andere Edelmetalle boomen: Silber erreichte den höchsten Wert in 31 Jahren, der Preis für Palladium kletterte auf ein Zehnjahreshoch.
„Besorgniserregende Drohung“
„Libyen ist ein wichtiger Produzent und Exporteur von Öl, und Drohungen von Stammesführern, die Produktion zu unterbrechen, sind besorgniserregend“, so ein Ölanalyst der Investmentsparte der Bank Credit Agricole. Auch ein Analyst der Commerzbank sah in der Gewalt in Libyen den Hauptgrund für den Preisanstieg. „Es herrscht Sorge, dass der Nachschub aus Libyen gestört werden könnte“, so der Risikomanager bei der japanischen Mitsubishi-Bank. „Die wichtigere Frage ist aber: Greifen die Proteste auf Saudi-Arabien über?“ Libyen ist den Daten der US-Energiebehörde EIA zufolge der ölreichste afrikanische Staat und war 2009 der weltweit zwölftgrößte Exporteur.
Mehrere internationale Ölkonzerne reagierten auf die Eskalation: Die OMV verringerte ihr Personal auf das Nötigste. Der japanische Öl- und Gaskonzern JX Nippon Oil & Gas Exploration beorderte seinen Bürochef aus Libyen nach Hause. Andere Mitarbeiter seien bereits außer Landes, hieß es. Laut dem arabischen TV-Sender al-Jazeera unterbrachen streikende Arbeiter die Produktion auf dem Nafura-Ölfeld im Nordosten des Landes. Die libysche Zeitung „Kurina“ (Website: Quryna.com) berichtete, dass es auch in Ras Lanuf, einer Stadt mit einer wichtigen Raffinerieanlage, zu Protesten gekommen sei. Von Arbeitern gebildete Komitees versuchen demnach, eine Beschädigung der Anlage zu verhindern.
BP stellt Arbeiten ein
Der britische Ölkonzern BP stellte wegen der Unruhen in Libyen seine Geschäfte in dem Land ganz ein. Betroffen seien Vorbereitungsarbeiten für die Gas- und Ölproduktion im Westen des Landes, sagte ein Firmensprecher am Montag. Bisher produziert BP in dem nordafrikanischen Land kein Öl oder Gas, bereitet sich aber auf eine Förderung in mehreren Jahren vor. Auch Shell flog seine Mitarbeiter aus. Frankreich forderte seine Landsleute zum Verlassen des Landes auf.
Die EU-Außenminister wollen bei ihrem Treffen in Brüssel die Unterdrückung der Proteste in Libyen scharf verurteilen. Das ging aus einem Entwurf für die Abschlusserklärung der Minister hervor, die Reuters am Montag vor Beginn des Treffens vorlag.
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