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Aufstand erreicht Tripolis

Mindestens 84 Menschen sollen nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) bei den Protesten gegen das Regime des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi von Sicherheitskräften getötet worden sein. Al-Gaddafi ist offenbar entschlossen, die Proteste mit Gewalt niederzuschlagen. Der Aufstand erreichte am Freitagabend die Hauptstadt Tripolis.

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Aus mehreren Vierteln im Westen der Hauptstadt meldeten Augenzeugen Proteste. Auch aus anderen Landesteilen werden Demonstrationen gemeldet. In der östlichen Küstenstadt Bengasi begannen Elitetruppen damit, die Kundgebungen in der Stadt mit Waffengewalt aufzulösen, berichtete ein Augenzeuge dem Fernsehsender BBC. Zuvor sei die Stadt fast zur Gänze von Anhängern der Protestbewegung kontrolliert worden. Opferzahlen wurden zunächst nicht bekannt.

Zusammenstöße wurden auch aus der westlich von Tripolis gelegenen Stadt Jansur gemeldet. Der stellvertretende HRW-Direktor für den Nahen Osten und Nordafrika, Joe Stork, sagte, die Sicherheitskräfte Al-Gaddafis feuerten auf libysche Bürger und töteten zahlreiche von ihnen, nur weil sie einen politischen Wandel verlangten. Die Organisation forderte dazu auf, die Angriffe auf friedliche Demonstranten sofort einzustellen und die Demonstranten vor gewalttätigen Übergriffen von bewaffneten Regierungsanhängern zu schützen.

Drohung mit „verheerendem Gegenschlag“

Generell scheint sich die Lage in dem Maghreb-Staat gefährlich zuzuspitzen. Die Revolutionskomitees, eine der wesentlichen Säulen von Al-Gaddafis Macht, drohten Regierungsgegnern offen mit Gewalt. Der „Gegenschlag“ werde „verheerend“ sein, hieß es: „Der Gegenschlag des Volkes und der revolutionären Kräfte (...) gegen diese Grüppchen wird wuchtig und verheerend sein.“

Die Macht des Volkes, die Dschamahirija (islamische „Volksrepublik“, „Republik der Massen“, Anm.), die Revolution und Al-Gaddafi seien die „vier roten Linien“. Wer die zu überschreiten wage, „spielt mit dem Feuer“. Die „vier roten Linien“ hatte einer der Söhne des 68-jährigen Revolutionsführers, Saif al-Islam al-Gaddafi, bei einer Rede vor einigen Jahren abgesteckt. Am Donnerstag wurde unter anderem per Massen-SMS von Oppositionsseite genau zur Überschreitung dieser Linien aufgerufen.

Al-Gaddafi-Söhne sollen Aufstand niederschlagen

Zusätzlich scheint Al-Gaddafi seine Söhne beauftragt zu haben, in den Städten für Ruhe zu sorgen. Saif al-Islam al-Gaddafi soll nach Bengasi geschickt worden sein, sein Bruder Khamis al-Gaddafi solle mit seiner Armeebrigade den Aufstand in Al-Baida niederschlagen, hieß es. Die Einheit ist laut Einschätzungen der US-Geheimdienste die am besten ausgebildete und am besten ausgerüstete innerhalb der libyschen Streitkräfte. Saif al-Islam al-Gaddafi hatte noch am Donnerstag „Reformen“ in dem von seinem Vater seit über 40 Jahren regierten Land angekündigt.

Internet angeblich abgeschaltet

Die auf die Überwachung des Internetverkehrs spezialisierte US-Organisation Arbor Networks teilte mit, Libyen habe das Internet am Samstag um 01.15 MEZ „abrupt abgeschaltet“. Bereits zuvor waren die Verbindungen stark verlangsamt. Offenbar funktioniert das Internet über Dial-up-Verbindungen aber inzwischen wieder.

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