Themenüberblick

Schiele und die Selbstdarstellung

Die Darstellung des Menschen war ein wesentlicher Teil der Arbeit des österreichischen Künstlers Egon Schiele. Bei rund einem Drittel seiner Ölgemälde und einem noch größeren Teil seiner Aquarelle und Zeichnungen handelt es sich um Porträts und Selbstporträts. Das Wiener Belvedere widmet diesem Themenkomplex des Künstlers nun erstmalig eine eigene Ausstellung.

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Ausgehend von Werken aus dem Bestand des Museums haben Belvedere-Direktorin Agnes Husslein-Arco und Kuratorin Jane Kallir Werke aus verschiedensten Sammlungen in aller Welt zusammengestellt und sich für eine chronologische Präsentation entschieden. Unter den Schwerpunkten „Frühe Arbeiten (1906 - 1909)“, „Expressionistischer Durchbruch (1910)“, „Selbstporträts (1910 - 1918)“ und „Zeit der Reife (1912 - 1915)“ lassen sich so die verschiedenen Entwicklungsstufen Schieles als Porträtkünstler nachvollziehen.

Reproduktionsfoto "Selbstporträt mit gespreizten Fingern"

Wien Museum, ORF.at/Carina Kainz

„Selbstporträt mit gespreizten Fingern“, 1911, Öl auf Holz (Wien Museum)

Über 100 Werke, von denen gut ein Viertel erstmals in Österreich zu sehen ist, werden durch vierzehn Briefe und mehrere Fotos ergänzt, die einen Einblick in die Beziehung zwischen Schiele und seinen Sammlern und Mäzenen gibt und die die für jene Zeit typische enge Bindung zwischen Künstler und Auftraggeber dokumentiert.

Dokumentation der künstlerischen Entwicklung

„Kaum ein Künstler hat sich öfter selbst porträtiert, außer vielleicht Rembrandt“, so Kallir, Herausgeberin des Schiele-Werkverzeichnisses und Kodirektorin der Galerie St. Etienne in New York, bei der Pressekonferenz über die Themenwahl - umso überraschender, dass die Belvedere-Ausstellung die bisher erste mit diesem Fokus ist.

Reproduktionsfoto "Porträt einer Dame (Wally Neuzil)"

Belvedere Wien; ORF.at/Carina Kainz

„Porträt einer Dame“ (Wally Neuzil), 1912, Gouache und Bleistift auf Papier (Privatbesitz)

Schiele versuchte, bei seinen Porträts bildnerisch den Entwicklungen der Psychoanalyse zu folgen und die seelische Befindlichkeit seiner Modelle sichtbar zu machen. Wie die zahlreichen Selbstporträts zeigen, begann er dabei mit sich selbst, in dem er als sein eigenes Modell unterschiedliche Persönlichkeiten annahm, von Selbstdarstellungen als mit Pfeilen durchbohrter Heiliger Sebastian bis zu Familienbildern, einmal arrogant oder gequält, dann wieder elegant und selbstsicher.

„Man bekommt nie alles, was man will“

Doch nicht alle bekannten Porträts des Künstlers fanden den Weg ins Belvedere: Ein Porträt aus dem Guggenheim-Museum, das sich Husslein-Arco und Kallir sehr für die Schau gewünscht hätten, können sie nun ebenso wenig präsentieren wie einige andere Werke. Nicht aus Missgunst der Leihgeber, vielmehr wären die Bilder zu fragil für den Transport. Für Kallir war das aber zu erwarten: „Man bekommt nie alles, was man will. Das ist als Kuratorin nicht anders als im Leben.“

Ausstellungshinweis

„Egon Schiele - Selbstporträts und Porträts“, bis 13. Juni, Unteres Belvedere, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, mittwochs 10.00 bis 21.00 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog (264 Seiten, 38 Euro) erschienen.

Die in Österreich derzeit wohl berühmtesten Bilder, die thematisch perfekt zur Ausstellung passen, fehlen. Man habe zwar mit dem Leopold Museum, der Albertina und dem Wien Museum gut zusammengearbeitet, wie Husslein-Arco erklärte, doch Schieles „Selbstbildnis mit Lampionfrüchten“ und das durch den jahrelangen Restitutionsstreit berühmt gewordene „Bildnis Wally“ blieben im Leopold Museum.

Sophia Felbermair, ORF.at

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