Kommission für neue Verfassung
Nur zwei Tage nach dem Sturz des langjährigen ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak hat die Armee erste Weichen für ihren versprochenen „friedlichen Übergang“ gestellt. Die Militärführung löste am Sonntag das Parlament auf und setzte die Verfassung außer Kraft. Die Übergangsphase bis zu Neuwahlen solle sechs Monate dauern, teilte die Armeespitze in einer Erklärung mit.
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Die rasche Aufhebung der Verfassung war nötig, da sonst innerhalb von 60 Tagen nach dem Rücktritt des Präsidenten Neuwahlen hätten angesetzt werden müssen. Die Militärführung setzte nun auch eine Kommission ein, um Verfassungsänderungen auszuarbeiten. Allerdings teilten sie nicht mit, aus welchen Persönlichkeiten sich dieser Rat zusammensetzen soll. Die ebenfalls von der Opposition geforderte Aufhebung des seit fast 30 Jahren geltenden Ausnahmezustands wurde jedoch nicht angesprochen.
Ministerpräsident Ahmed Schafik werde zunächst im Amt bleiben, hieß es weiter. Der oberste Militärrat hatte am Freitag nach dem Rücktritt Mubaraks die Macht vorübergehend übernommen. Noch am Samstag kündigte die Armeeführung an, die derzeitige Regierung solle bis zur Wahl einer „zivilen Führung“ im Amt bleiben.
„Sieg für die Revolution“
Der ägyptische Oppositionspolitiker Ajman Nour begrüßte die Schritte. Sie sollten auch die Demonstranten zufriedenstellen, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. „Das ist ein Sieg für die Revolution.“ Am Sonntag waren auch weiterhin Tausende Menschen auf die Straße gegangen.

Reuters/Amr Dalsh
Der ehemalige Luftwaffenkommandant Schafik wurde noch von Mubarak ernannt.
Schafik will Normalität wiederherstellen
Unklar sei noch die Rolle von Vizepräsident Omar Suleiman, erklärte Premier Schafik bei einer Pressekonferenz in Kairo. Dieser war von Mubarak eingesetzt worden. Wichtigste Aufgabe sei aber zunächst die Sicherheit im Land. Seine Regierung wolle Normalität herstellen - „von der Tasse Tee bis zur medizinischen Behandlung“, so Schafik. Erst danach wolle sich die Regierung mittel- und langfristigen Zielen zuwenden. Mit der Besetzung vakanter Ministerposten habe er es nicht eilig, machte der Premier deutlich.
Einhaltung aller Verträge versprochen
Die Armee sicherte auch die Einhaltung aller regionalen und internationalen Verträge zu. Dazu gehört auch das 1979 geschlossene Friedensabkommen mit Israel. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und US-Präsident Barack Obama begrüßten das Festhalten an dem Abkommen. Der Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten habe „beiden Ländern genützt“ und sei „ein Eckpfeiler für Frieden und Stabilität im ganzen Nahen Osten“, erklärte Netanjahu. EU-Außenministerin Catherine Ashton forderte derweil von den neuen Machthabern in Kairo einen Zeitplan zur Vorbereitung von Wahlen.
Medien: Mubarak hat das Land verlassen
Schon zuvor hatte das Militär gezeigt, dass es bereit sei, hart durchzugreifen und die alten Strukturen rund um Mubaraks Machtgefüge aufzubrechen. So wurde am Samstag laut einem Bericht des arabischen TV-Nachrichtensenders Al-Arabija der bisherige Informationsminister Anas al-Fiki unter Hausarrest gestellt. Gegen ihn und weitere Minister und Geschäftsmänner liegen Korruptionsvorwürfe vor. Auch gegen Ex-Premier Achmed Nasif und dem ehemaligen Innenminister Habib al-Adli wird ermittelt.
Laut dem ägyptischen Ministerpräsidenten Ahmed Schafik befindet sich Mubarak in Scharm al-Scheich. Zuvor hatte es Berichte gegeben, dass sich Mubarak aus Ägypten abgesetzt habe. Das deutschen Magazin „stern“ (Onlineausgabe) hatte berichtet, dass sich Mubarak im Emirat Schardscha befinde. Schardscha am Persischen Golf ist Teil der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Dort wird aber dementiert, dass Mubarak Asyl gegeben wurde. Ein offizieller Vertreter der Luftfahrtbehörde des Emirats bestritt am Sonntag, dass der 82-jährige Staatschef auf dem Flughafen der gleichnamigen Stadt gelandet sei, wie die staatliche emiratische Nachrichtenagentur WAM meldete.
Große Feier auf dem Tahrir-Platz geplant
Auch die Organisatoren der Massenproteste rüsten sich für die Zeit bis zur Wahl. Am Samstag riefen sie einen „Rat zur Verteidigung der Revolution“ ins Leben. Aufgabe des Rates werde es sein, in der Übergangsphase die Revolution im Dialog mit dem regierenden Obersten Militärrat voranzutreiben, sagte ein Sprecher des neu gebildeten Gremiums vor Journalisten auf dem Tahrir-Platz. Sollte das Militär die Forderungen des Volkes nicht erfüllen, werde erneut zu Demonstrationen aufgerufen.
Zu den Hauptforderungen des 20 Mitglieder umfassenden Rates gehörten die sofortige Freilassung politischer Gefangener, die Abschaffung der Notstandsgesetze und die Auflösung des Sicherheitsapparates des Innenministeriums. Nach Angaben der ägyptischen Internetaktivisten trafen sie bereits mit Vertretern des Obersten Militärrats zusammen. Für Freitag ist eine große Feier auf dem Tahrir-Platz geplant.

AP/Hussein Malla
Vereinzelt demonstrierten auch am Sonntag noch Menschen in Kairo.
Demonstranten von Tahrir-Platz verscheucht
Sonntagfrüh, der Anfang der Arbeitswoche in dem arabischen Land, räumte die Armee dann die Straßen auf dem Platz, wo sich erneut Tausende Menschen versammelt hatten. Soldaten bauten Zelte ab und drängten die Demonstranten von der Fahrbahn. Dabei setzten sie gelegentlich Schlagstöcke ein. Zum ersten Mal seit zwei Wochen fuhren wieder Autos durch den Verkehrsknotenpunkt.
„Ab heute wollen wir nicht mehr, dass Demonstranten auf dem Platz sitzen“, sagte der Befehlshaber der Militärpolizei, Mohamed Ibrahim Mustafa Ali. „Friedlich, friedlich“, skandierten die Menschen. Teilnehmer der Proteste berichteten, die Armee habe einige ihrer Anführer festgenommen. Einige Demonstranten versammelten sich auch noch Montagfrüh auf dem Tahrir-Platz. Die Armee drohte mit Festnahmen, sollte der Platz nicht geräumt werden.
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