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127 Stunden in 93 Minuten

Nach seinem Oscar-Triumph mit dem in Indien gedrehten Sozialmärchen „Slumdog Millionär“ hat der britische Regisseur Danny Boyle nun ein wahres Überlebensdrama verfilmt und sich damit keine leichte Aufgabe gestellt. Er verfilmte eine wahre Geschichte, die zu neunzig Prozent in einer kleinen Canyon-Spalte spielt, mit einem Schauspieler, der die meiste Zeit mit dem Bewegungsradius einer Armlänge auskommen muss.

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90 Prozent des Films hängt Hauptdarsteller James Franco in seiner Felsspalte fest, wodurch der Regisseur einen für einen Actionfilm seltsam eingeschränkten Bewegungsspielraum hatte. Doch Boyle schafft es, mit einer sehr dynamischen Umsetzung trotz allem einen rasanten und packenden Film zu präsentieren.

Schauspieler James Franco in einer Filmszene aus 127 Hours

2010 Twentieth Century Fox

James Franco schlüpft in die Rolle des draufgängerischen Aron Ralston.

Das Verhängnis: Ein Felsbrocken

Der Stoff des Films basiert auf der wahren Geschichte eines jungen Amerikaners, die im Frühjahr 2003 um die Welt ging. Fünf Tage lang - genau 127 Stunden - hoffte Aron Ralston in einem schmalen Canyon im Nationalpark von Utah auf Rettung: Bei einer Klettertour hatte sich ein tonnenschwerer Felsbrocken gelöst, ihm die rechte Hand zerschmettert und sie eingeklemmt.

Der versierte Wanderer, Bergsteiger und Skifahrer war wie so oft alleine unterwegs, hatte nirgends eine Nachricht hinterlassen. Er fror, hungerte, trank seinen eigenen Urin, verlor 18 Kilogramm Körpergewicht, halluzinierte und nahm auf seiner digitalen Videokamera Abschiedsbotschaften an Freunde und Familie auf. Er war sich sicher, er würde sterben.

Regisseur Danny Boyle mit Schauspieler James Franco am Filmset von 127 Hours

2010 Twentieth Century Fox

Danny Boyle ließ für die Dreharbeiten den Canyon eins zu eins in einem Studio nachbauen.

Selbstrettung mit Taschenmesser

Am sechsten Tag gab es für Ralston keinen anderen Ausweg: Er brach sich selbst den Unterarmknochen und durchtrennte mit einem stumpfen Taschenmesser Muskeln, Sehnen und Fleisch. Zwar frei, war er nun aber noch nicht gerettet: Er musste sich noch abseilen und mit dem amputierten Arm in einer selbst gefertigten Schlinge zehn Kilometer durch den „Horseshoe Canyon“ laufen, bis er auf niederländische Touristen traf.

Boyles Film arbeitet schon zu Beginn auf unterschiedliche Weise mit Kontrasten: Er überblendet Menschenansammlungen mit der weiten Einsamkeit des Canyons, legt mit Musik und Schnitt ein irres Tempo vor, um dann abrupt abbremsen zu können. Während des Films wechselt er häufig die Perspektive. Er wechselt von weiten Panoramaaufnahmen und Vogelperspektiven auf extreme Detailaufnahmen.

Spannung trotz bekannten Ausgangs

Obwohl der Ausgang des Filmes bekannt ist, schafft es der Regisseur, die Spannung aufrechtzuerhalten. Das Wasser wird weniger, die Gedanken Ralstons werden wirrer und die Halluzinationen immer häufiger. Franco überzeugt in der Rolle Ralstons, den er als überdreht-sorglosen Draufgänger porträtiert.

Liest man Ralstons Schilderung seines Horrorunfalls, die er 2005 im Buch „Im Canyon“ veröffentlichte, erkennt man schnell, dass der für einen Hauptrollen-Oscar nominierte Franco das Vorbild seiner Rolle genau studiert hat. Beiden traut man dieselbe Verrücktheit und Arroganz, aber auch die unbändige Energie zu, die Ralston schließlich das Leben gerettet hat.

Authentizität bis ins kleinste Detail

Auch visuell legte Boyle viel Wert auf Authentizität: Er lässt Franco im Film mit seiner kleinen Digitalkamera Fotos von sich selbst und seiner misslichen Lage schießen, die den echten Bildern bis ins kleinste Detail nachempfunden sind. Doch erst am Ende des Films verwebt der Regisseur Realität mit Fiktion und lässt dabei seine tiefe Hochachtung vor Ralston erkennen.

„127 Hours“ wurde in sechs Kategorien für einen Oscar nominiert, gilt vor allem in den Königsdisziplinen derzeit eher als Außenseiter. Auch wenn Franco - geht es nach den Buchmachern - möglicherweise gegen Colin Firth den Kürzeren zieht, wird der vielseitige Schauspieler eine wichtige Rolle im Trophäenspektakel spielen: Zusammen mit seiner Schauspielkollegin Anne Hathaway moderiert er die Gala am 27. Februar.

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