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Blutvergießen für Prasat Preah Vihear

Seit Jahrzehnten liefern sich Kambodscha und Thailand einen blutigen Streit um ein Grenzgebiet bei einem 900 Jahre alten Hindu-Tempel. Erst im Februar waren bei Kämpfen zehn Menschen getötet worden. Der Komplex wurde 1962 durch einen Beschluss des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag Kambodscha zugesprochen.

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Das 4,6 Quadratkilometer große Grenzgebiet um den Tempel, der auf kambodschanischer Seite Prasat Preah Vihear, auf thailändischer Prasat Phra Viharn genannt wird, ist seit den 1950er Jahren ein Zankapfel zwischen beiden Staaten. Obwohl der IGH 1962 Kambodscha den Tempel zugesprochen hat, erhebt Thailand Anspruch auf einen Teil des umliegenden Geländes, denn der Haupteingang liegt auf thailändischer Seite. Auf kambodschanischer Seite fällt das Gelände dagegen steil ab.

Grafik zur Lokalisierung des Hindu-Tempels Prasat Preah Vihear

APA/Martin Hirsch

Den-Haag-Spruch nach alten Landkarten

Die Haager Richter bezogen sich bei ihrem Spruch auf eine Landkarte, mit der die französische Protektoratsmacht in Indochina Anfang des vergangenen Jahrhunderts die Grenze zwischen Thailand und Kambodscha festlegen wollte. Thailand, das im Zweiten Weltkrieg Teile des heutigen Kambodscha besetzt hatte, bezog sich auf eine andere historische Karte, akzeptierte das Urteil aber zähneknirschend. Zu der Fläche, die den Tempel umgibt, äußerte sich das UNO-Gericht nicht - sie blieb umstritten.

Eskalation nach Aufnahme in Weltkulturerbe

Seit die UNO-Organisation für Kultur, Bildung und Wissenschaft (UNESCO) das Baudenkmal aus dem elften Jahrhundert auf Antrag Phnom Penhs Anfang Juli 2008 als zu Kambodscha gehörig in ihre Weltkulturerbeliste aufnahm, kam es immer wieder zu Scharmützeln. Beide Staaten entsandten Truppen in die Region. Es wurde begonnen, Bunker und Gräben auszuheben, Kriegsdrohungen standen im Raum. Bei Gefechten starben schon im Oktober 2008 und im April 2009 Soldaten.

Thailand unterstützte die Aufnahme in das Weltkulturerbe. Der damaligen Regierung brachte das jedoch den Vorwurf ein, nationales Kulturgut aufzugeben. Der Preah-Vihear-Tempel ähnelt im Stil den bekannteren Anlagen von Angkor Wat in Kambodscha, die ebenfalls in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurden.

Innenanlage des Hindu-Tempels Prasat Preah Vihear

AP/Heng Sinith

Die Tempelanlage besteht aus mehreren, durch Dämme und Treppen miteinander verbundenen Gebäuden.

Vom Khmer-Reich bis in die Gegenwart

Gebiete des heutigen Thailand gehörten einst zum Khmer-Reich, das unter Jayavarman VII. (1181 - 1219) seine größte kulturelle Blüte erlebte. Thai-Generäle rebellierten im 13. Jahrhundert erfolgreich. Der Khmer-Staat geriet in der Folge teils unter thailändische und vietnamesische Herrschaft, teils war er unabhängig. 1863/67 stellte sich der kambodschanische König Norodom unter den Schutz des französischen Kaisers Napoleon III. Kambodscha erhielt nördliche Provinzen zurück, die sich Siam (Thailand) einverleibt hatte, und bildete später zusammen mit Laos und dem vietnamesischen Kaiserreich Französisch-Indochina.

Während des Zweiten Weltkriegs, als Kambodschas französische Protektoratsmacht wegen der japanischen Invasion vorübergehend handlungsunfähig war, besetzte Thailand Teile des Nachbarlandes militärisch, musste nach 1945 aber auf die Eroberungen verzichten. Schon 2003 flammte der Nachbarschaftskonflikt auf: Eine aufgebrachte Menge setzte die thailändische Botschaft und thailändische Firmen in Phom Penh in Brand, nachdem eine Zeitung fälschlich berichtet hatte, ein thailändischer TV-Star habe gesagt, Angkor gehöre zu Thailand.

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