Themenüberblick

Verletzte und Verhaftete

Für Journalisten in Ägypten wird die Arbeit immer gefährlicher. In den vergangenen Tagen gerieten ausländische Reporter bei den blutigen Protesten auf den Straßen zwischen die Fronten und wurden angegriffen und festgenommen. Mittlerweile machen Schlägertrupps von Präsident Hosni Mubarak systematisch Jagd auf ausländische Reporter.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Einige wurden verletzt und mussten in Krankenhäusern behandelt werden. Anhänger Mubaraks stürmten nach einem Bericht des Fernsehsenders al-Arabija am Donnerstag Hotels in Kairo und jagten ausländische Journalisten. Auch die BBC bestätigte die Angriffe und dass einem ihrer Teams die Ausrüstung abgenommen worden sei. Die „Washington Post“ berichtete, bereits Donnerstagfrüh seien über 20 ausländische Journalisten vom Innenministerium in Gewahrsam genommen worden.

Schlägertrupp bei ORF-Korrespondenten

Auch ORF-Korrespondent Karim El Gawhary meldete Übergriffe: Eine ORF-Mitarbeiterin wurde angegriffen, weil sie ein Stativ in der Hand gehalten hatte. Am Donnerstagnachmittag habe ein Schlägertrupp von zehn Männern das Studio gestürmt. Das zur Hilfe gerufene Militär hätte sie wieder entfernt.

Die Studios seien noch kurz vor einem Live-Einstieg zu Mittag mit Stangen und Feuerlöschern verteidigt worden, berichtete El Gawhary. Es sei für die Reporter generell fast unmöglich, auf den Tahrir-Platz vorzudringen, wo sich die Regimegegner versammelt haben. „Die Innenstadt wird von Schlägern kontrolliert, die gezielt nach Journalisten suchen“, sagte der ORF-Korrespondent. In der ZIB sagte El Gawhary, ein zunächst als vermisst gemeldeter schwedischer Kollege hätte besonders schwere Verletzungen am Kopf und Stichwunden erlitten.

Nicht als Reporter erkannt

Er selbst entging einer Konfrontation nach eigenen Angaben deshalb, weil er einen ägyptischen Personalausweis vorweisen konnte und so nicht als ausländischer Reporter erkannt wurde.

Das ORF-Team hat nun die Scheiben des Büros mit Zeitungspapier abgeklebt, um zu verhindern, dass Schlägertrupps die redaktionelle Arbeit beobachten und erneute Angriffe starten. Wie lange man noch aus Kairo berichten könne, hänge von den weiteren Entwicklungen ab, sagte El Gawhary. Die Nacht werde man wahrscheinlich im Büro verbringen, da das Hilton-Hotel, in dem das Team untergebracht war, von Mubarak-Anhängern gestürmt worden sei. Offenbar waren diese auf der Suche nach Journalisten. „Da können wir naturgemäß auch nicht mehr hin.“

ZDF überlegt Abzug

Die Situation in Kairo werde dramatischer, sagte der Chefredakteur des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), Peter Frey, der Nachrichtenagentur dpa. Das ZDF überlegt nach Freys Worten, die in Kairo arbeitenden Journalisten um Büroleiter Dietmar Ossenberg aus der Stadt abzuziehen. Der niederländische Sender Fox hat sich bereits zurückgezogen. Ossenberg war während des „heute-journals“ am Mittwochabend von einem Laserstrahl fokussiert worden. „Als Nächstes hätte der Schuss folgen können“, sagte Frey.

„Gezielte Angriffe“

Der ZDF-Chefredakteur sprach von „gezielten Angriffen auf Journalisten“ aus den Reihen der Mubarak-Fraktion. Die Bedrohungen nähmen zu, den Kollegen werde Ausrüstung abgenommen, Kassetten würden entwendet. Dem Fernsehteam des Senders n-tv wurde ebenfalls zeitweise die Ausrüstung weggenommen. Eine auch für das ZDF arbeitende Journalistin kam in Kairo nach 20 Stunden wieder frei. Die Frau war am Mittwoch auf der Fahrt von Alexandria nach Kairo festgenommen und in einem Hochsicherheitstrakt festgesetzt worden.

„Racheakt an Medien“

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) beklagte, bei Übergriffen - vor den Hotelstürmungen - seien auch mehrere Berichterstatter geschlagen und ihrer Ausrüstung beraubt worden. Betroffen seien Mitarbeiter von Sendern wie BBC, al-Jazeera, CNN, al-Arabija und ABC News. Auch Polizisten sollen zu den Tätern gehört haben. „Diese Angriffe scheinen Racheakte gegen internationale Medien zu sein, die die Forderungen der Demonstranten nach einem Rücktritt Mubaraks übermitteln“, sagte ROG-Generalsekretär Jean-Francois Julliard.

Etliche Verletzte

Ein französischer Reporter des Senders Arte war gemeinsam mit zwei Kollegen bei einem Kontrollpunkt des Militärs festgenommen worden. Den Journalisten wurden laut Arte Handys und Arbeitsmaterial abgenommen. Anschließend wurden sie weggebracht.

Ein belgischer Journalist wurde verhaftet, eine französische Journalistin verprügelt. Immer noch befanden sich vier israelische Reporter in Haft. Ein Fotograf der European Pressphoto Agency (EPA) wurde am Kopf verletzt und von Armeesoldaten gerettet. Gleich vier Reporter von al-Arabija wurden angegriffen.

Der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge wurden ein Fernsehjournalist des türkischen Senders TRT und ein türkischer Zeitungsfotograf inmitten der Proteste verprügelt. Auch ihnen sei ihre Ausrüstung gestohlen worden. Nach Angaben des polnischen Fernsehsenders TVP nahm die ägyptische Polizei drei seiner Mitarbeiter fest.

Attacken vor laufenden Kameras

Ein CNN-Reporter wurde mit seinem Team während laufender Kamera von Straßenkämpfern attackiert. Die Gruppe versuchte sich unter einem Hagel von Faustschlägen in Sicherheit zu bringen und wurde von einem aufgebrachten Mob über mehrere Straßenzüge verfolgt. Anhänger Mubaraks verletzten einen griechischen Journalisten und Fotografen mit einem Messer und schlugen ihn mit Knüppeln. Regimeanhänger riefen: „Mubarak ist kein Problem. Du bist eins!“

Das Internationalen Presseinstitut (IPI) in Wien verurteilte ebenfalls Angriffe. Anthony Mills vom IPI teilte mit: „Wir verurteilen diese Angriffe und fordern alle Parteien dazu auf, Gewalt gegen lokale und ausländische Journalisten zu unterlassen, die lediglich im Interesse der Öffentlichkeit versuchen, von den Demonstrationen und Zusammenstößen zu berichten. (...) Insbesondere sind wir über Hinweise besorgt, dass es bei den Angriffen möglicherweise Verbindungen zu den Sicherheitskräften gibt.“

Links: