ElBaradei: USA müssen sich entscheiden
Der Westen hält weiter an seinem jahrzehntelang engsten Verbündeten in der arabischen Welt fest: Ägyptens Präsident Hosni Mubarak. Trotz des Volksaufstands, der Mubaraks 30-jähriges Regime binnen weniger Tage an den Rand des Zusammenbruchs brachte, ist dieser für Washington, London, Paris und Berlin immer noch der Ansprechpartner Nummer eins.
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Dabei übten die westlichen Regierungen am Samstag durchaus - bisher unvorstellbar - offene und laute Kritik am wichtigsten arabischen Verbündeten. Nach den USA fanden erstmals auch führende europäische Regierungen Worte zu den Ereignissen der letzten Tage.
In einer gemeinsamen Erklärung am Samstagabend forderten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron den 82-jährigen Mubarak auf, einen Transformationsprozess einzuleiten hin zu einer „Regierung, die sich auf eine breite Basis stützt, sowie freien und fairen Wahlen“.
Würdigung von Mubaraks Verdiensten
Ausdrücklich lobten Merkel, Sarkozy und Cameron „die ausgleichende Rolle (...), die Präsident Mubarak über viele Jahre im Nahen Osten gespielt hat“. Sie fügten aber hinzu: „Das ägyptische Volk hat berechtigte Beschwerden und setzt große Hoffnung auf eine gerechte und bessere Zukunft.“ Es sei äußerst wichtig, dass die versprochenen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Reformen „rasch und vollständig umgesetzt werden und die Erwartungen des ägyptischen Volkes erfüllen“.
Die Menschenrechte und demokratischen Freiheiten müssten voll respektiert werden, einschließlich der Meinungsfreiheit und der freien Nutzung von Kommunikationsmitteln wie Telefon und Internet sowie der Versammlungsfreiheit, hieß es in dem an die Medien verbreiteten Text.
Am Vortag hatte auch Kanzler Werner Faymann (SPÖ) an die ägyptische Regierung appelliert, alles dafür zu tun, um die Gewalthandlungen zu beenden. Ein friedlicher Dialog mit allen Kräften im Land müsse „sobald wie möglich“ begonnen werden, so Faymann.
Obama fordert „konkrete Schritte“
Nach vorsichtigen Formulierungen waren am Sonntag aus den USA erstmals etwas deutlichere Worte zu hören: US-Außenministerin Hillary Clinton verlangte von Mubarak einen „geordneten Übergang“ zu einem demokratischen System. Mubarak, der „noch immer an der Macht“ sei, müsse „das Notwendige unternehmen“, um „demokratische und wirtschaftliche Reformen“ herbeizuführen, sagte sie den US-Fernsehsendern CBS und ABC. Dem Sender CNN sagte Clinton, das ägyptische Volk müsse über das weitere Schicksal des Landes entscheiden. Eine Kürzung der US-Finanzhilfen an Ägypten ziehe Washington bisher nicht in Betracht.
Zuvor hatten die USA bereits auf die Regierungsumbildung Samstagnachmittag reagiert und diese als unzureichende Antwort auf die Massenproteste der Bevölkerung kritisiert. Präsident Barack Obama forderte von Mubarak „konkrete Schritte“ für mehr Freiheit. Die USA würden „weiterhin für die Rechte des ägyptischen Volks einstehen und mit dessen Regierung für eine Zukunft zusammenarbeiten, die gerechter, freier und hoffnungsvoller ist“, erklärte Obama.
Angesichts der anhaltenden Proteste gegen Mubaraks Regierung rief er zu Zurückhaltung auf. Er traf am Samstag rund eine Stunde lang mit Sicherheitsberatern zusammen, um über die Lage in Ägypten zu sprechen.
ElBaradei: Zweierlei Maß
Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei, der in seiner Heimat Ägypten als Hoffnungsträger und als möglicher Nachfolger des 82-jährigen, seit 1981 regierenden Mubarak gilt, forderte - so wie Hunderttausende Menschen auf der Straße - erneut Mubaraks sofortigen Rücktritt. Zudem müsse sofort der Ausnahmezustand aufgehoben werden. Niemand wisse derzeit, wer das Sagen habe in dem Land - Mubarak oder das Militär.
Wenn Mubarak weiter bleibe, „wird die ägyptische Nation kollabieren“. Mubaraks Rede sei „leer“ gewesen, er habe nicht verstanden, was das Volk wolle. Die Bevölkerung rief er auf, friedlich zu bleiben und das öffentliche Eigentum zu verteidigen.
ElBaradei rief auch die USA und den Westen insgesamt auf, sich klar für das Regime oder für das Volk zu deklarieren. Es könne hier keinen „Mittelweg“ geben, warnte der Friedensnobelpreisträger. Beim Volksaufstand im Iran im Vorjahr hätten sich die USA geradezu „in Wut hineingesteigert“. Wenn dasselbe aber im Land eines Verbündeten passiere, sei der Westen „stumm“, klagte ElBaradei darüber, dass der Westen mit zweierlei Maß messe.
Sympathiekundgebungen im Ausland
Am Wochenende kam es zu ersten Kundgebungen für einen Regimewechsel auch außerhalb Ägyptens. Rund 250 Ägypter demonstrierten am Samstag in Berlin für Demokratie und Freiheit in ihrem Heimatland. Auf einer Kundgebung wurden Rufe laut wie „Die Revolution wird siegen“ und „Mubarak, wir sind arm geworden, was machen Sie mit unserem Geld?“. Auch in Washington und Los Angeles gab es Unterstützungsdemos für die Anliegen der ägyptischen Protestbewegung.
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