Ausgangssperre verhängt
Am vierten Tag in Folge haben einander Demonstranten und Sicherheitskräfte am Freitag in Ägypten heftige Auseinandersetzungen geliefert. Die Regierung und das Militär verhängten am Freitag eine Ausgangssperre. Sie gelte in Kairo, Alexandria und Sues, hieß es im Staatsfernsehen. Die Entscheidung sei durch das Militär getroffen worden, das nun die Polizei unterstützen werde.
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Die Armee soll nun der Polizei zur Seite stehen, die in einigen Stadtvierteln von Kairo, Ismailija, Alexandria und Sues von Demonstranten überrannt worden war. Die Ausgangssperre gelte von 18.00 Uhr bis 7.00 Uhr (jeweils Ortszeit; 17.00 Uhr MEZ bis 6.00 Uhr MEZ), berichtete das Staatsfernsehen am Freitag.
Unterdessen eskalierte die Lage in Kairo weiter. Medienberichten zufolge wurde am Abend das Hauptquartier der Regierungspartei Nationaldemokratische Partei (NDP) in Flammen gesetzt. Der arabische Nachrichtensender al-Jazeera zeigte live Bilder des brennenden Gebäudes. Das staatliche ägyptische Fernsehen bestätigte ebenfalls, dass das NDP-Hauptquartier in Flammen stehe. Auch in anderen Städten des Landes wurden Gebäude der NDP angezündet oder von Demonstranten angegriffen.
Zuvor gingen Zehntausende Menschen nach dem Freitagsgebet in Kairo und anderen Städten auf die Straße und verlangten den Rücktritt von Präsident Hosni Mubarak. Mit einem Großaufgebot an Sicherheitskräften postierte sich die Polizei in mehreren Städten des Landes, die Behörden drohten den Demonstranten mit „entschlossenen Maßnahmen“. Laut Berichten darf die Polizei auch auf Demonstranten schießen.
ElBaradei unter Hausarrest
Erstmals nahm auch der zurückgekehrte Friedensnobelpreisträger und Ex-Diplomat Mohamed ElBaradei an den Protesten teil. ElBaradei, der sich am Donnerstag als Alternative zu Mubarak angeboten hatte, nahm zunächst mit 2.000 Gläubigen am Freitagsgebet auf einem Platz vor einer Moschee im Zentrum Kairos teil.

APA/EPA/Khaled el Fiqi
ElBaradei musste vor den Wasserwerfern flüchten.
Im Anschluss begannen Teilnehmer lautstark „Nieder mit Mubarak“ zu rufen. Die Polizei ging darauf mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Tränengas gegen die Demonstranten vor. ElBaradei flüchtete sich in die Moschee. Er forderte ein Ende von Gewalt, Verhaftungen und Folter durch die Sicherheitskräfte. ElBaradei wurde anschließend unter Hausarrest gestellt, wie auch die Polizisten vor seinem Haus laut Medienangaben bestätigten.
Tränengas, Gummigeschoße und Wasserwerfer
Demonstranten setzten Büros der Mubarak-Partei Nationaldemokratische Partei (NDP) und Polizeiwachen in Brand. In der Innenstadt Kairos bewarfen sie Polizisten mit Steinen, nachdem diese versucht hatten, sie auseinanderzutreiben. Soldaten feuerten laut Augenzeugen Warnschüsse in die Luft. Sie schossen auch mit Gummigeschoßen auf die Demonstranten. Wasserwerfer wurden ebenfalls eingesetzt. Al-Arabija meldete, einige Polizisten hätten ihre Uniformen ausgezogen und sich den Demonstranten angeschlossen.

AP/Lefteris Pitarakis
Demonstranten trotzen den Wasserwerfern.
Nach Angaben des Nachrichtensenders al-Jazeera wurde mindestens ein Mensch getötet. Seit Beginn der Proteste am Dienstag wurden mindestens sieben Menschen getötet, Dutzende verletzt und mehr als tausend Demonstranten festgenommen.
Gouverneurssitz in Alexandria in Flammen
Einige Reporter meldeten, Demonstranten seien auch zum Präsidentenpalast im Stadtteil Heliopolis gezogen. Sie seien jedoch von der Polizei aufgehalten worden. Auch in Ägyptens zweitgrößter Stadt Alexandria ging die Polizei mit Tränengas und Gummigeschoßen gegen mehrere tausend Demonstranten vor. „Wir wollen ihn nicht“, riefen sie mit Blick auf Mubarak. Einige Demonstranten warfen Steine auf die Sicherheitskräfte.
Nach Auseinandersetzungen mit der Polizei setzten regierungskritische Demonstranten in Alexandria den Sitz des dortigen Gouverneurs in Flammen. Zudem wurde ein Polizeirevier im Stadtzentrum gestürmt.

AP/Muhammed Abu Zaid
Die Demonstranten prallen mit den Sicherheitskräften zusammen.
Sues: Polizei zieht sich zurück
Nach Zusammenstößen mit der Polizei trugen Demonstranten in Sues die Leiche eines Mannes durch die Straßen. „Sie haben meinen Bruder getötet“, rief einer aus der Gruppe von Demonstranten am Freitag. Sie beschrieben den Toten als einen 30-Jährigen, der durch einen Schuss getötet worden sei. Einem Reuters-Reporter zufolge hatten bei den Protesten in der östlichen Hafenstadt Tausende Menschen die Reihen der Polizei durchbrochen und eine Wache angezündet. Die Demonstranten warfen Steine und skandierten Parolen gegen Mubarak. Die Beamten zogen sich zurück und überließen den Demonstranten ganze Straßenzüge im Zentrum.
Zehntausende in weiteren Städten auf der Straße
Alleine in der Stadt al-Arisch auf der Sinai-Halbinsel protestierten nach Angaben von Augenzeugen mehrere zehntausend Menschen gegen die Regierung. Frauen verteilten Süßigkeiten an die Demonstranten. Massenproteste gab es auch in den Provinzen Somiat und Dmanhur. Laut al-Arabija attackierten Regimegegner die Zentrale von Mubaraks Partei in der Stadt Ismailija. Auch in den Provinzen Mansura und Manufija kam es zu Ausschreitungen. Friedliche Demonstrationen gab es in den südlichen Städten Luxor, Kena und Assuan.
Internet und Handyverbindungen abgedreht
Die Regierungsgegner hatten zu einem „Freitag der Wut“ aufgerufen. Da Demonstrationen in Ägypten meist nicht geduldet werden, benutzen die Regimegegner häufig das Freitagsgebet, um sich trotzdem zu versammeln. Damit sich die Demonstranten untereinander nicht absprechen können, hatte die Regierung am Freitag das Internet und Handynetz gekappt. Die Polizei attackierte auch Journalisten und nahm Kamerateams ihre Aufzeichnungen ab.
Neben ElBaradei hatte auch die größte Oppositionsgruppe, die Muslimbrüder, angekündigt, sich erstmals an den Protesten zu beteiligen. Bereits in der Nacht nahmen Sicherheitskräfte darauf mindestens 20 Mitglieder der Bruderschaft fest, darunter fünf frühere Abgeordnete. Laut französischem Außenministerium sollen bei den Unruhen auch vier französische Journalisten kurzzeitig festgenommen worden sein.
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