Kontrolle über Internetkommunikation
Ägypten ist seit der Nacht auf Freitag großflächig offline. Seit kurz nach Mitternacht sei der Datenverkehr nach und aus Ägypten nicht mehr möglich, teilte die italienische Internetfirma Seabone mit, die einer der größten Onlinedienstleister in Ägypten ist. Auch die Handynetze wurden teilweise abgedreht.
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Die ägyptische Regierung schaltet nach dem Internet auch Mobilfunknetze ab, um die massiven Proteste einzudämmen. Alle Mobilfunkbetreiber in Ägypten seien angewiesen worden, den Betrieb in ausgewählten Regionen einzustellen, teilte der Telekomkonzern Vodafone am Freitag auf seiner Website mit. Die ägyptischen Behörden seien per Gesetz dazu berechtigt, „und wir sind verpflichtet, uns dem zu beugen“, betonte das britische Unternehmen.
Rund 90 Prozent des ägyptischen Netzes seien inzwischen offline, meldete die Monitoring-Site BGPmon. Internetzugangssperren haben in Ländern wie China und dem Iran bereits traurige Tradition. Dort seien bisher in der Regel Filter eingesetzt worden, um bestimmte Inhalte zu blockieren, sagte Michael Horn vom Chaos Computer Club der dpa.
Durch die Nutzung von Anonymisierungsdiensten seien aber diese Filter nicht mehr so richtig wirksam. „Hier hat man nun zu drastischeren Mitteln gegriffen und das Internet für fast 95 Prozent der Internetteilnehmer abgestellt.“ Die Kommunikation nach innen wie nach außen sei gekappt.
Facebook völlig blockiert
Zuvor waren bereits Websites wie Twitter, Facebook und der E-Mail-Dienst von Google vollständig blockiert worden. Eine offizielle Erklärung dafür gab es nicht. Beobachter vermuten jedoch, dass die Regierung dadurch den Demonstranten die Möglichkeit nehmen will, ihre politischen Botschaften über das Netz zu verbreiten und große Kundgebungen zu organisieren. Die Regierung hatte angekündigt, keine weiteren Proteste zu dulden. Jedoch seien Menschen in Kairo von Tür zu Tür gegangen, um ihre Mitbürger zur Teilnahme zu ermutigen.
Telekoms hielten Absprache
Die ägyptischen Telekommunikationsfirmen sollen in einer geheimen Krisensitzung beschlossen haben, im Falle einer Eskalation der Proteste alle Kommunikationskanäle zu kappen. Freitagfrüh funktionierten bereits das Internet und verschiedene Mobilfunknetze nicht. Unklar blieb, ob die Regierung ihren Versuch der totalen Kontrolle auch auf die Festnetztelefonie ausdehnen würde.
Am Ende der Sitzung wurde nach Informationen der unabhängigen ägyptischen Tageszeitung „Al-Schoruk“ entschieden, dass der Internetprovider Tedata sowie die Mobilfunkfirmen Mobinil, Vodafone und Etisalat am Freitag jeweils einen Vertreter zur staatlichen Telekommunikationsfirma schicken, um weitere Schritte zu koordinieren.
„Beispiellos in der Geschichte des Internets“
„So etwas ist in der Geschichte des Internets beispiellos“, sagte Jim Cowie von der Netzwerksicherheitsfirma Renesys. Die Netzwerksensoren des Unternehmens hatten festgestellt, dass um 0.34 Uhr die vier großen Internetanbieter Link Egypt, Vodafone/Raya, Telecom Egypt und Etisalat Misr „weg vom Fenster waren“. Diese Unternehmen bündeln den Internetverkehr von und nach Ägypten, auch wenn viele Nutzer ihre Services über kleinere lokale Anbieter beziehen.
Die Maßnahme unterscheide sich von Tunesien, wo einige spezifische Strecken blockiert wurden, und dem Iran, wo die Verbindungen in der Vergangenheit teilweise verlangsamt wurden. „Die ägyptische Regierung hat ihr Land mit dieser Aktion quasi von der Weltkarte gelöscht“, heißt es in einem Renesys-Blogeintrag. Ein solcher Schritt ist laut den Experten nur in einem Land mit strenger Kontrolle über seine Internetanbieter möglich. Auch in den USA wurde in der Vergangenheit immer wieder die Möglichkeit diskutiert, im Ausnahmezustand eine Art Internetnotstand auszurufen.
Die Leichtigkeit, mit der sich Ägypten vom Internet abgeschnitten habe, zeigt laut Cowie, dass die Regierung genau kontrollieren könne, wo blockiert wird. So könnten etwa militärische Anlagen weiter online bleiben. Die einzige Ausnahme von der Internetblockade stellte offenbar der kleine ägyptische Anbieter Noor Group dar, der den Betrieb in der Nacht aufrechterhielt. Der Anbieter hostet auch die ägyptische Börse, die am Freitag teilweise erreichbar blieb.
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