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Mirco war „Zufallsopfer“

Der im Fall des seit knapp fünf Monaten vermissten Mirco festgenommene Tatverdächtige hat ein Geständnis abgelegt. Das teilte der Leiter der deutschen Ermittlungskommission, Ingo Thiel, am Freitag im deutschen Mönchengladbach mit. Der mutmaßliche Täter sei am Mittwoch aus dem Bett geklingelt worden, sagte Thiel. Laut Thiel war Mirco, dessen Leiche am Donnerstag gefunden wurde, ein „Zufallsopfer“.

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Der Täter heiße Olaf H., sei 47 Jahre alt, in dritter Ehe verheiratet und habe drei leibliche Kinder, sagte Thiel. Er gelte als treu sorgender Familienvater. Die Familie des Verdächtigen sei völlig überrascht gewesen und schockiert. Der Mann habe seit dem 1. Oktober 2010 bei einem „großen Bonner Telekommunikationsunternehmen“ im Controlling gearbeitet, so der SoKo-Leiter weiter. Zuvor sei der Mann dort Bereichsleiter gewesen. Der Arbeitgeber unterstütze die Ermittlungen.

Die entscheidende Spur sei ein Kombi des Typs VW Passat gewesen. „Wir hatten Gott sei Dank einen sehr guten Zeugen“, sagte Thiel. Der Polizist sprach von einem „Topzeugen“. Die Polizei habe sich entschlossen, die Überprüfung der Autos auf ganz Deutschland auszudehnen. Dadurch seien 150.000 Fahrzeuge infrage gekommen.

Ingo Thiel, Leiter der deutschen Ermittlungskommission

Reuters/Ina Fassbender

SoKo-Leiter Thiel vor der Presse

Täter wollte Macht ausüben

H. habe ausgesagt, er sei am 3. September 2010, dem Tattag, in beruflichem Stress gewesen. Sein Chef habe ihn „zusammengefaltet“, danach sei er planlos in der Region Grefrath umhergefahren. Gegen 22.00 Uhr sei er auf Mirco gestoßen. Er habe ihn mit seinem Auto überholt, sei ausgestiegen und habe den zehnjährigen Buben angesprochen. Vermutlich sei es danach zu einem Sexualdelikt gekommen. Nähere Angaben hierzu wollte Thiel nicht machen.

H. sei es um einen Akt der Erniedrigung gegangen, sagte Thiel. Der sexuelle Missbrauch war demnach zweitrangig. Pädophile Neigungen wurden nach den Worten Thiels bei dem mutmaßlichen Täter in den bisherigen Ermittlungen nicht festgestellt. Es sei ihm darum gegangen, einen Mensch in seiner Gewalt zu haben und Macht über ihn auszuüben. „Er brauchte jemanden, den er kontrollieren kann.“

„Den kannst du nicht mehr nach Hause lassen“

Der mutmaßliche Mörder habe den Buben entführt, ihn entkleidet, versucht, sexuelle Handlungen vorzunehmen, und dann gedacht: „Den kannst du nicht mehr nach Hause lassen“, so Thiel weiter. H. sei nach seiner Festnahme erleichtert gewesen, sagte Thiel. Der Mann sei völlig ruhig gewesen und habe gesagt: „Okay, dann sag’ ich euch, wo der Junge liegt.“ Thiel sagte, Mirco habe enormes Pech gehabt. Er sei ein Zufallsopfer geworden.

Mircos Eltern seien am Tag der Festnahme, dem Mittwoch, informiert worden. Am selben Tag seien die Eltern auch darüber informiert worden, dass die Leiche höchstwahrscheinlich gefunden wurde.

Der Verdächtige wird sich wegen Mordes verantworten müssen. Das teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Krefeld mit.

Beispiellose Suchaktion

Die Polizei ging nach dem Verschwinden Mircos im September frühzeitig von einem Gewaltverbrechen aus und vermutete den Täter in der Region. Ein Aufruf an die Bevölkerung brachte mehr als 5.900 Hinweise, unter anderem zu einem am mutmaßlichen Tatort gesichteten VW Passat Kombi. Das Verschwinden des damals Zehnjährigen hatte einen der größten Sucheinsätze in der Geschichte der deutschen Polizei ausgelöst. Zeitweise hatten rund 1.000 Polizisten nach dem Kind gesucht. Auch Tornado-Aufklärungsjets der Bundeswehr und Drohnen kamen zum Einsatz.

Kleidung, Fahrrad und Handy entdeckt

Nach der bisherigen Rekonstruktion des Verbrechens hatte der Täter Mirco auf dem Heimweg von einer Skater-Anlage an einer einsamen Stelle östlich von Grefrath abgepasst und mit seinem Auto entführt. Mircos Fahrrad blieb zurück, wurde von ahnungslosen Passanten entdeckt, mitgenommen, gesäubert und erst nach Bekanntwerden des Verbrechens der Polizei übergeben. Auch Kleidungsstücke und sein Handy wurden später entdeckt.

In einem Bogen soll der Entführer in nördlich um Grefrath herumgefahren sein. Spezielle Spürhunde hatten Mircos Fährte noch kilometerweit verfolgt. In der Nähe eines Klosters bei Wachtendonk nördlich von Grefrath vernahmen Nonnen in der Tatnacht einen markerschütternden Schrei. Auf der anderen Seite von Grefrath fanden sich später Kleidungsstücke des Buben und nach Wochen auch sein Handy. Fingerabdrücke des Täters fanden sich nicht. Obwohl die Polizeihundertschaften ein mehr als 50 Quadratkilometer großes Gebiet zum Teil mehrfach durchkämmten, blieb der Bub verschwunden.

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