Zukunft des Standorts Wien unsicher
Am Freitag haben die Aktionäre die Fusion der beiden Onlineglücksspielanbieter bwin und PartyGaming abgesegnet. Im Anschluss begann der Poker, wer welche Aufgaben und vor allem wo übernimmt. In welchem Umfang der Standort Wien bestehen bleibt, steht bisher nicht fest. Die Marke bwin bleibt erhalten, die Aktie verschwindet von der Börse.
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Voraussichtlich ab Ende März, nach der vollzogenen Fusion mit der britischen PartyGaming, wird bwin nicht mehr an der Wiener Börse gehandelt. Die Aktien der gemeinsamen Gesellschaft „bwin.party Digital Entertainment PLC“ („bwin.party“), dann der weltgrößte börsennotierte Internetglücksspielanbieter, werden ab Anfang April ausschließlich an der Londoner Börse im FTSE 250 gelistet. Ein Zweitlisting wird es nicht geben.
Die Marke bwin selbst wird bestehen bleiben, genauso die laufenden Sponsoringverträge. Sitz der neuen Gesellschaft ist Gibraltar, wo einerseits bereits PartyGaming, aber auch bwin International ihren offiziellen Firmensitz haben.
Tausch oder Barablöse
Eine bwin-Aktie kann gegen 12,23 junge „bwin.party“-Aktien umgetauscht werden. Angeboten wird auch eine Barabfindung von 23,52 Euro. Am Ende werden alte bwin-Aktionäre 51,7 Prozent, alte PartyGaming-Eigentümer 48,3 Prozent an der Gesellschaft halten.
Startschuss für internen Umbau
In den zwei versetzt stattfindenden Hauptversammlungen am Freitag stimmten zunächst die bwin- und etwas später auch die PartyGaming-Aktionäre der Fusion zu. Offiziell hing von der Zustimmung der Aktionäre der Start der Verhandlungen über mögliche Synergieeffekte beziehungsweise Einsparungen ab, erste Projekte sollen nun starten. Bis Ende März soll dann zumindest intern feststehen, wer wo was übernimmt. Intern wird wohl schon länger darüber verhandelt beziehungsweise entsprechend vorgearbeitet. Die Fusionspläne waren bereits seit Ende Juli 2010 bekannt. Real umgebaut werden kann erst nach dem technischen Abschluss des Mergers, also Anfang April.
Großflächiger Abbau wird bisher dementiert
Bwin beschäftigt in Wien derzeit rund 850 Mitarbeiter, davon knapp 600 IT-Mitarbeiter, ein Großteil sind Entwickler. Bisher wird offiziell ein großflächiger Abbau dementiert, es soll jedoch Veränderungen geben, so der bisherige bwin-Ko-CEO und künftige Ko-Chef von „bwin.party“, Norbert Teufelberger, zuletzt.
So soll laut Teufelberger die IT der neuen Gesellschaft großteils aus der indischen Stadt Hyderabad kommen, wo PartyGaming bereits Hunderte Mitarbeiter sitzen hat. Das hat auch historische Gründe: Mitbegründer von PartyGaming war ein Softwareingenieur aus Hyderabad. Bwin seinerseits hat auch Server in Wien und Stockholm.
Geschäftsbetrieb in Österreich soll bleiben
Viele bwin-Beschäftigte in Wien haben dem Vernehmen nach keine große Lust, nach Gibraltar zu übersiedeln. Aus der Managerriege sind bereits einige abgesprungen, darunter Technikchef Thomas Kiessling, der zu Deutschen Telekom gewechselt ist, und Sprecherin Katharina Riedl, sie ging zu S&T. Der Kommunikationsverantwortliche Matthias Winkler, früher Kabinettschef von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, macht sich nach dem Merger selbstständig.
Derzeit beschäftigt bwin weltweit rund 1.600 Mitarbeiter, PartyGaming 1.300. „Bwin-party“ soll dann „über 2.500 Mitarbeiter“ haben. Ein österreichischer Geschäftsbetrieb von bwin samt Mitarbeitern soll laut Angaben erhalten bleiben, in welcher Höhe genau soll sich offiziell demnächst in den Verhandlungen herausstellen.
Gründung 1997
Betandwin wurde 1997 gegründet, ein Jahr später ging die Sportwettenplattform online. 2000 folgte der Börsengang, 2006 die Umbenennung in bwin. Mittlerweile hat der Konzern rund 20 Mio. registrierte Kunden. In den ersten neun Monaten 2010 erwirtschaftete bwin Nettospielerträge von rund 305 Mio. Euro, PartyGaming umgerechnet 260 Mio. Euro.
Synergieffekte von 55 Mio. Euro
Mit dem Merger entsteht ein international breit aufgestellter Player. Während bwin in den ersten neun Monaten 2010 rund 54 Prozent seiner Nettospielerträge mit Sportwetten machte, war PartyGaming in den Bereichen Casino (43 Prozent) und Bingo (15 Prozent) stark. Onlinepoker haben beide Konzerne im Angebot. Gemeinsam wollen sie auf den US-Markt und sich auf die Öffnung nationaler Märkte konzentrieren. „Bwin.party“ habe außerdem eine gute Ausgangsposition für die „voranschreitende Konsolidierung des Onlinegamingmarkts“.
Durch die Verschmelzung, die bilanziell rückwirkend zum 30. September 2010 vorgenommen werden soll, sollen laut Angaben jährliche Synergieeffekte von 55 Mio. Euro entstehen, wobei 2012 nur etwa drei Viertel realisiert werden.
Androschs Anteil schrumpft
Chef von „bwin.party“ wird neben Teufelberger PartyGaming-Boss Jim Ryan. Manfred Bodner, Teufelbergers Vorstandskollege bei bwin, wird Non-Executive Director (Aufsichtsrat) der neuen Gesellschaft. Bwin-Großaktionär und -Aufsichtsrat Hannes Androsch wird nicht im „bwin.party“-Board vertreten sein, statt seiner zieht sein Anwalt Georg Riedl ein. Androsch hält über seine Privatstiftung rund 8,8 Prozent an bwin, durch die Fusion schrumpft sein Anteil auf etwa 4,6 Prozent. Bodner hält mit Teufelberger über die New Media Gaming and Holding auf Malta 5,58 Prozent.
Steuerrisiko bleibt
Vor allem den Aktionären macht das Steuerrisiko Kopfzerbrechen. Bwin droht in Österreich eine Steuernachzahlung in der Höhe von sieben Millionen Euro. Die Finanz ist der Ansicht, dass bwin aufgrund seiner Serverfarm in Österreich steuerpflichtig ist, während bwin beim Unabhängigen Finanzsenat (UFS) widerspricht, weil der offizielle Firmensitz in Gibraltar ist. Das Verfahren könnte sich noch länger hinziehen, die Rechtslage ist unklar. Trotz der zur Schau gestellten Zuversicht bwins wurde dem Thema Steuerrisiko im Börsenprospekt der neuen Gesellschaft ein ausführliches Kapital gewidmet: Sollte das Finanzamt recht bekommen, müsste bwin schlimmstenfalls 130 Mio. Euro nachzahlen, was einen „signifikant negativen Einfluss“ auf „bwin.party“ hätte, heißt es.
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