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Diskussion über Downloads

Einheitliche Verbraucherschutzregeln in der EU sollen für mehr Rechtssicherheit sorgen und den Warenverkehr im EU-Binnenmarkt ankurbeln. Wie die Richtlinie aussehen soll, darüber sind sich die Parteien kaum einig. Umstritten ist etwa, ob eine zwingende Übernahme der Richtlinie vorgeschrieben wird, die keine Abweichungen zulässt - und ob auch Downloads als Ware zählen sollen.

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Während in den vergangenen Jahren der inländische Versandhandel in den EU-Staaten erheblich gestiegen ist, wächst er grenzüberschreitend nur in einem geringen Ausmaß, so die Feststellung der EU. Der Grund seien die unterschiedlichen Verbraucherschutzvorschriften in den einzelnen EU-Staaten, die die Kauflust der Verbraucher bremsen würden. Vor allem würden sie aber Unternehmen davon abhalten, ihre Dienste und Waren über die Grenzen hinweg anzubieten.

Die neue Verbraucherrichtlinie soll vier bisher geltende Richtlinien zusammenfassen. Sie soll die vertraglichen Rechte für Geschäftsabschlüsse, die im Fernabsatz (Direktvertrieb) oder außerhalb von Geschäftsräumen vorgenommen werden, regeln. Einen ersten Kompromiss dazu konnte kürzlich der EU-Rechtsausschuss (JURI) erringen. Dieser befasste sich nur mit einem kleinen Kapitel der Richtlinie, den Großteil behandelt der EU-Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO).

Kernkritik Vollharmonisierung

2008 legte die EU-Kommission einen ersten Entwurf für eine Verbraucherschutzrichtlinie vor. Danach folgte ein Vorschlag des EU-Rats, der einige Kapitel aus der Richtlinie wieder herausnahm. Die mittlerweile 1.600 eingebrachten Änderungsanträge zeigen, wie uneinig sich die Parteien - vor allem Wirtschaft und Verbraucherschützer - sind. Einer der Hauptdiskussionspunkte ist die geplante Vollharmonisierung des Verbraucherrechts, wodurch die Mitgliedsstaaten keine Rechtsvorschriften beibehalten oder einführen dürften, die von der Richtlinie abweichen.

„Die Vollharmonisierung bringt verschiedene Probleme für Österreich“, sagte Jutta Repl von der Abteilung Konsumentenpolitik in der Arbeiterkammer (AK) Wien gegenüber ORF.at. EU-weit gebe es mit den bestehenden Richtlinien bereits einige Regelungen für den Fernabsatz, die jedoch von einer Mindestharmonisierung ausgehen und damit national ein strengeres Recht erlauben. Eine verpflichtende Anpassung hätte laut Repl für ein Land wie Österreich, das einen relativ hohen Konsumentenschutzstandard hat, nur Nachteile.

AK ortet andere Verbraucherängste

Aus der Sicht der AK habe zudem die Zurückhaltung der Verbraucher gegenüber grenzüberschreitenden Geschäften ganz andere Gründe, etwa die Sprachbarrieren. „Ein Problem ist auch die Datensicherheit und das Vermögen, die Seriosität eines Anbieters im Internet festzustellen“, meinte Repl. Ein Hemmnis sei auch die fehlende durchgängige Internetversorgung in Europa.

Auch für die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner ist das Ausmaß der Harmonisierung nicht akzeptabel. Sie gehörte dem JURI als stellvertretende Vorsitzende an und fordert ebenso eine Mindestharmonisierung. Regner sieht das Problem der EU darin, dass die Themen „immer aus der Sicht eines Unternehmens behandelt werden“ und Verbraucherinteressen zu sehr vernachlässig würden.

Einzelne Kapitel streichen

Othmar Karas, Fraktionsvize der Europäischen Volkspartei (EVP), nennt als Ziel eine „gezielte Harmonisierung“ - Harmonisierung also nur dort, „wo es um Einzelfälle und grenzüberschreitende Tätigkeiten geht“. Karas ist Mitglied des IMCO, der nach dem JURI als Nächster über einen Kompromiss zur EU-Verbraucherrichtlinie abstimmen wird.

Der ÖVP-Europaabgeordnete schließt sich dem Vorschlag des Rats an. Demnach sollen nur die Informationspflicht, die Widerrufsfrist und die Auslegung, wie das Widerrufsrecht ausgeübt wird, harmonisiert werden. Ob auch der Schadenersatz, die Gewährleistung und die Verbraucherrechte in Bezug auf missbräuchliche Vertragsklauseln berücksichtigt werden sollen, seien noch offene Fragen im IMCO. „Österreich spricht sich für eine Streichung dieser Kapitel aus“, meinte Karas.

Bisherige IMCO-Übereinstimmungen

Die einheitliche Informationspflicht sieht vor, dass etwa bei Flug- und Umbuchungen exakte Informationen zum Anbieter wie Name, Adresse und Telefonnummer angeboten werden. Zudem soll der Verbraucher detailliert über seine Rücktrittsrechte (Widerrufsrechte) und –fristen informiert werden.

Bei der Widerrufsfrist sind derzeit 14 Tage angedacht. Sie soll sich jedoch auf bis zu ein Jahr verlängern, wenn keine vollständige Information über die Rücktrittsrechte stattfand. In Überlegung ist auch eine „Doppelbutton“-Lösung: Eine Online-Bestellung wäre demnach nur dann gültig, wenn vor dem endgültigen Geschäftsabschluss nochmals alle Details des Kaufs übersichtlich dargestellt wurden und mit einem Klick auf einen Button bestätigt werden mussten.

Streit über digitalen Content

Einer der wohl heikelsten Punkte der neuen Richtlinie ist der digitale Content. Ob dieser berücksichtigt werden soll, ist äußerst umstritten. Rechtlich sind davon nur jene Inhalte betroffen, die zum dauerhaften Gebrauch überlassen werden - wenn etwa jemand Software über das Internet kauft und herunterlädt -, nicht aber temporäre Überlassungen wie etwa bei Video-on-Demand-Diensten.

Im ursprünglichen Entwurf wurden digitale Inhalte ausgeklammert, indem bei den Begriffsdefinitionen die Körperlichkeit der Waren vorausgesetzt wurde. Das Bestellen einer CD oder DVD im Internet ist damit kein Problem, Downloads wie etwa Musiktitel direkt aus dem Internet wären jedoch von der Richtlinie und den damit einhergehenden Verbraucherrechten vorerst ausgeschlossen.

„Die digitalen Inhalte sind im Rechtsauschuss durchgegangen, im Binnenmarktauschuss ist das fraglich“, sagte Eva Lichtenberger, Europaabgeordnete der Grünen. „Wenn wir jetzt den Konsumentenschutz neu gestalten und das nicht berücksichtigen, dann haben wir eine große Chance verpasst“, meinte Lichtenberger, die wie Regner dem JURI beiwohnt. Die zahlreichen Konsumentenanliegen der Internetnutzer würden sehr oft nicht ernst genommen.

Einen Download zurückgeben?

Laut Karas ist noch offen, ob das Thema in die Richtlinie kommt oder separat geregelt werden muss. Finden die digitalen Inhalte Eingang in das neue EU-Regelwerk, dann stellt sich die Frage, wie lange das Widerrufsrecht gelten soll. Denn wie lässt sich etwa eine heruntergeladene Musik-CD wieder „zurückgeben“, d. h. wie kann der Verkäufer nach einem Rücktritt verhindern, dass der digitale Content nicht mehr benutzt werden kann? Die derzeit vorherrschende Position ist, dass das Rücktrittsrecht bis zum Start des Downloads gilt und dann verfällt.

Vorerst gilt es, die Abstimmung im IMCO-Ausschuss abzuwarten. Dieser wurde jedoch bereits mehrmals verschoben, der nächste Termin ist für den 1. Februar angesetzt. Kommt es auch bei den darauffolgenden Abstimmungen zu keinen gröberen Verzögerungen, kann mit einem endgültigen Beschluss bis Ende des Jahres gerechnet werden. Gelten würde die neue EU-Verbraucherrichtlinie dann frühestens ab 2014.

Claudia Glechner, ORF.at

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