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Viele Werke vernichtet und verloren

Viele von Trude Fleischmanns Werken sind bekannter als die Fotografin selbst: Porträts von Prominenten wie Karl Kraus, Julius Tandler, Rosa Mayreder und Adolf Loos entstanden in der Zwischenkriegszeit im Atelier der selbstbewussten jungen Frau und gelten bis heute als Schlüsselbilder der 1920er Jahre.

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Die Ausstellung „Trude Fleischmann - Der selbstbewusste Blick“ im Wien Museum widmet sich nicht nur den bekannten Arbeiten der Fotografin, sondern zeigt auch bisher unbekannte Arbeiten. Das Werk reicht nämlich weit über die Studioaufnahmen hinaus, ist deutlich umfangreicher und facettenreicher als lange Zeit angenommen und umfasst neben zahlreichen Porträts auch Reisebilder, Landschaftsszenen und Fotoreportagen.

Die Tänzerin Mila Cirul, Wien um 1925

Wien Museum

Trude Fleischmann: Die Tänzerin Mila Cirul, Wien um 1925

Für Aufsehen und gleichzeitig den Höhepunkt ihrer Karriere sorgte die selbstbewusste junge Fotografin jedoch mit ihren Aktfotografien, vor allem den Fotos der Tänzerin Claire Bauroff, deren eingeölter heller Körper stark kontrastierend vor einem schwarzen Hintergrund in Szene gesetzt wurde. Ein Skandal, war doch die Herstellung von Aktfotos lange Zeit Männern vorbehalten, und deren Modelle blieben namenlose Unbekannte.

Nacktheit ohne Vorwand

Fleischmann brauchte keinen künstlerischen Vorwand, um den entblößten Körper zu zeigen, sie plädierte stets für eine selbstverständliche Nacktheit. Ein Ansatz, der trotz vieler Proteste auch auf positive Resonanz stieß, die Fotos wurden in der Presse, in Fotobänden und in der Fachliteratur publiziert.

Als Bauroff die Fleischmann-Bilder jedoch zur Werbung in einer Vorschauvitrine des Varietetheaters Admiralspalast in Berlin ausstellte, kam es zum Eklat: Die Polizei schritt ein und beschlagnahmte die Fotos. Der Karriere von Tänzerin und Fotografin tat das keinen Abbruch - im Gegenteil, ihr Bekanntheitsgrad stieg schlagartig an.

Fleischmann nahm in ihren Porträts die Anregungen der Moderne offen auf und versuchte sich auch an untypischen Bildausschnitten. Sie versuchte den Blick des Betrachters zu lenken, Charakter und Körperhaltung des Fotografierten stärker hervorzuheben.

„Die Wiener haben sich schlecht benommen“

Trotzdem fand ihre Wiener Karriere kurz darauf ein jähes Ende: Als Jüdin musste sie Österreich 1938 verlassen. „Ich finde, die Wiener haben sich schlecht benommen, so dass ich Wien eigentlich nicht mehr vermisst habe,“ erklärte Fleischmann 1986 im einzigen Interview, das von ihr erhalten ist und die Ausstellung als Tondokument bereichert. Dass sie trotzdem nostalgische Gefühle gegenüber ihrem Geburtsland gehegt haben könnte, lassen liebevoll gestaltete Fotokalender mit Landschaftsaufnahmen vermuten, die sie unter dem Titel „Beautiful Austria“ in New York herausbrachte.

Albert Einstein, New Jersey 1954

ÖNB/Wien

Trude Fleischmann: Albert Einstein, New Jersey 1954

Ein Großteil der gezeigten Arbeiten stamme aus der hauseigenen Sammlung, so Wolfgang Kos, Direktor des Wien Museums. Fleischmann vernichtete den Großteil ihres fotografischen Negativarchivs, ein weiterer Teil, den sie ihrer Nachbarin anvertraute, ging in den Wirren des Krieges verloren. Dass trotzdem so viele wichtige Dokumente aus den 1920er und 1930er Jahren im Wien Museum präsentiert werden können, ist dem Umstand verdankt, dass das Museum bereits vor der Emigration der Fotografin angekauft hatte.

Emanzipation in der Fotografie

Fleischmann steht an der Spitze einer Reihe erfolgreicher Fotografinnen der Zwischenkriegszeit, deren Karrieren vor dem Ersten Weltkrieg kaum denkbar gewesen wären. Als nach 1918 zahlreiche junge Frauen - viele von ihnen waren jüdischer Herkunft - damit begannen, sich mit eigenen Studios selbstständig zu machen, spitzte sich der Kampf der Geschlechter zu.

Fotografierende Frauen hätten, so wetterte etwa der einflussreiche Wiener Fotograf Hermann Clemens Kosel, „das Dirnentum ins Lichtbild“ gebracht und „den sittlichen Ernst der Kunst ins Abgeschmackte“ herabgezogen.

Ausstellungshinweis

„Trude Fleischmann - Der selbstbewusste Blick“, bis 29. Mai, Wien Museum, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, montags geschlossen. Zur Ausstellung ist ein Katalog (200 Seiten, 27 Euro) erschienen.

Zufallsfunde auf Dachböden

Das Werk von vielen damals sehr erfolgreichen Frauen geriet während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit. Vielfach ist es Zufallsfunden auf Dachböden oder Flohmärkten zu verdanken, dass ihre Werke heute wieder gewürdigt werden können. Auch von Fleischmann tauchen immer wieder bis dato unbekannte Bilder auf, wie Kuratorin Frauke Kreutler bestätigte. Schon im Vorfeld der Ausstellung meldete sich der eine oder andere Besitzer solcher Kostbarkeiten - zum Beispiel von Fotos der Tante, die sich nackt fotografieren ließ.

Sophia Felbermair, ORF.at

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