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„Window Shopping“ im Wien Museum

Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Österreich die ersten Schaufenster aufgetaucht sind, war von „Verschandelung“ des Stadtbildes durch die „Reklameseuche“ zu hören. Trotz solcher Proteste konnte sich die Auslage als Hauptreklamefläche für Kaufhäuser behaupten und ist nach wie vor ein prägender Bestandteil moderner Städte.

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Die Ausstellung „Window Shopping“, die noch bis 13. März zu sehen ist, zeigt bisher noch nie präsentierte dokumentarische Aufnahmen aus der Sammlung des Wien Museums ebenso wie Beispiele aus dem Bereich der künstlerischen Fotografie. Kuratorin Susanne Breuss versucht, in der Schau einen historischen Bogen von den Anfängen bis zur aktuellen Schaufensterfotografie zu spannen.

Auslagenbummel, um 1910

Imagno/Austrian Archives

Auslagenbummel, um 1910

Dafür musste sie unzählige Stadtansichten mit der Lupe durchkämmen, weil die Fotografen gerade in den Anfangszeiten des Schaufensters noch kaum Interesse an der neuen Reklameform entwickelten. Im Lauf des 20. Jahrhunderts begannen dann Kunstfotografen, sich explizit für die Konsumkultur und damit für das Schaufenster zu interessieren. Dabei ging es ihnen jedoch nicht nur um den Inhalt und die Gestaltung der Auslagen, sondern auch um den Blick der Passanten in die Fenster hinein.

Modeauslage in Wien, 1946

ÖNB/Wien, Bildarchiv und Graphiksammlung

Modeauslage in der Wiener Kärntner Straße, erster Bezirk, 1946

Schauen ohne Kaufzwang

Legendär sind dabei Bilder von Menschenaufläufen vor den ersten Elektrogeschäften, die Fernseher präsentierten, oder findigen Geschäftsleuten, die mit elektrisch bewegten Schaufensterpuppen auf sich aufmerksam machten. Erstmals konnte man in aller Ruhe Dinge betrachten, die man sich nie leisten konnte, aber immer schon gewünscht hatte.

Weil vor dem Siegeszug des Schaufensters deshalb der Begriff „Einkaufen“ für zielgerichtetes Erwerben von Waren stand, wurde der für damalige Verhältnisse mondän anmutende englische Begriff „Shoppen“ auch im deutschen Sprachraum für das Flanieren und Gustieren in Einkaufsstraßen verwendet.

Auslage der Fa. Palmers, 1950er Jahre

Wien Museum

Nachtansicht einer Auslage der Fa. Palmers, 1950er Jahre

„Plakate ersetzen eine Anhäufung von Waren“

Damit aber nicht nur Sehnsüchte geweckt werden, sondern das schaulustige Publikum auch zum Kauf animiert wurde, entwickelte sich die Schaufensterdekoration zur eigenen Wissenschaft - und zu einem eigenständigen Beruf - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Unzählige Zeitschriften und Bücher dienten den Geschäftsleuten als Ratgeber für die richtige Warenpräsentation: „Große Bilder ebenso wie Plakate ersetzen eine Anhäufung von Waren. Die sparsame Verwendung macht die einzelnen Gegenstände besonders wertvoll“, ist in einem der ausgestellten Bücher im Wien Museum zu lesen.

Ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Schaufensters findet sich in „Window Shopping“ nur am Rande: Lediglich drei Fotos weisen auf das Schicksal unzähliger jüdischer Geschäftsleute hin, deren Schaufenster während des Nationalsozialismus beschmiert, zerschlagen und verwüstet wurden.

Ausstellungshinweis:

„Window Shopping“, von 25. November bis 13. März, Wien Museum, Dienstag bis Sonntag und Feiertag von 10.00 bis 18.00 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog (96 Seiten, 15 Euro) erschienen.

Obwohl die Ausstellung auch einen Bogen in die Realität schlägt, schwelgen die zeitgenössischen Fotografen offenbar lieber in nostalgischen Erinnerungen und widmen ihre Arbeit eher den historischen, teils gut erhaltenen Geschäftsflächen statt der modernen Einkaufswelt, erklärt Breuss gegenüber ORF.at das Fehlen aktueller Bezüge.

Nur unweit des Museums schieben sich in der Zwischenzeit die Massen auf der Suche nach Geschenken über die winterlich kalte Kärntner oder Mariahilfer Straße und nehmen kaum Notiz von prachtvoll beleuchteten Weihnachtsauslagen. Einkaufen wird in den Wochen vor dem Weihnachtsfest dann doch wieder zum zielgerichteten Handeln.

Sophia Felbermair, ORF.at

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