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Eltern verlangen Aufklärung

Der Tod einer jungen Offiziersanwärterin auf der „Gorch Fock“ im November hat die Debatte über Zustände auf dem Segelschulschiff der deutschen Marine entfacht, nun könnte ein vorhergegangener Todesfall neu aufgerollt werden. Eine damals 18-jährige Soldatin war 2008 bei der Nachtwache aus ungeklärten Gründen über Bord gegangen und ertrunken. Ihre Eltern erheben nun schwere Vorwürfe.

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Eine Untersuchung des Vorfalls konnte die Umstände des Todes nicht klären. Die Eltern der Frau verlangen nach den Berichten über die Missstände auf dem Schiff neue Ermittlungen und Aufklärung über das Schicksal ihrer Tochter. Sie wollen nun Anzeige gegen unbekannt wegen sexueller Nötigung einbringen.

Ihr Vater äußerte gegenüber der „Bild“-Zeitung (Montag-Ausgabe) den Verdacht, seine Tochter könnte an Bord sexuell belästigt worden und bei einer Rangelei ins Meer gestürzt sein. Zudem hatte die Kadettin wenige Stunden vor ihrem Tod ihre Eltern per E-Mail dringend gebeten, noch für den Tag ihrer geplanten Rückkehr einen Termin beim Gynäkologen zu vereinbaren. „Ich appelliere an alle möglichen Zeugen, die irgendetwas sagen können und bisher geschwiegen haben, nicht länger den Mund zu halten“, sagte der Vater der Zeitung.

Drill, Schlafmangel, Übergriffe

Die Vorwürfe wegen Übergriffen und auch sexueller Belästigung an Bord des Schiffes wurden zuletzt immer lauter. Eine ehemalige Rekrutin der „Gorch Fock“ beklagte etwa gegenüber der Nachrichtenagentur dapd die „unhaltbaren Zustände“. Drill, Einschüchterung und Schlafmangel hätten offenbar System gehabt, so eine Offiziersanwärterin. Mitglieder der Stammbesetzung sollen zudem Kadetten drangsaliert haben, auch zu sexuellen Übergriffen soll es gekommen sein.

Die Zustände auf dem Segelschulschiff seien vor allem für weibliche Offiziersanwärter schwierig, erzählte die ehemalige Rekrutin weiter. Es habe während der Fahrt an sexuell „eindeutigen und übereindeutigen Angeboten wahrlich nicht gemangelt“, sagte sie. „Manche Frauen haben das auch als bedrängend empfunden.“ Die Bark werde deshalb in Marinekreisen als „größter schwimmender Puff Deutschlands“ bezeichnet.

Guttenberg greift hart durch

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bemüht sich in der Affäre mit hartem Durchgreifen um Schadensbegrenzung. Nach der angeblichen Meuterei und Hinweisen auf Drangsalierungen enthob der CSU-Politiker den Kapitän Norbert Schatz bereits am Freitag des Kommandos. Zudem ordnete er gleich eine umfassende Untersuchung der gesamten Bundeswehr auf mögliches Fehlverhalten an. Die „Gorch Fock“ soll möglichst schnell von Argentinien nach Deutschland zurückkehren. Ihre Zukunft als Ausbildungsschiff der Marine ist ungewiss.

Der deutsche Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) sagte zu den Gründen für die Absetzung des Kommandanten, er könne nur vermuten, dass Guttenberg neue Informationen bekommen habe. Es stelle sich die Frage, warum weder Kommandant noch Schiffsführung zum Tod der Kadettin Anfang November befragt worden seien. Das hätte schon längst stattfinden können und wohl auch müssen, sagte Königshaus.

„Das lässt vermuten, da wird noch viel aufzuräumen sein“, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold warf dem Minister im Sender NDR Info vor, die Beteiligten hätten sich nicht ausreichend zu den Vorfällen äußern können.

Affären häufen sich

Guttenberg gilt als besonders medienbewusster Politiker und wohl auch als Hoffnungsträger für noch höhere politische Weihen. Nun muss er schauen, dass er unbeschadet die Affäre übersteht. Bereits am Mittwoch hat er dem Verteidigungsausschuss des Bundestags Auskunft zu geben – und nicht nur zu den Vorfällen auf der „Gorch Fock“. Am 17. Dezember hatte in Afghanistan ein deutscher Soldat einen Kameraden und engen Freund versehentlich erschossen. Guttenberg widersprach Vorwürfen, sein Haus habe den Bundestag über die näheren Umstände des Todes des Soldaten bewusst unzureichend oder gar falsch informiert.

Und schließlich sorgte die Feldpostaffäre für Wirbel: Rund ein Dutzend Briefe aus einem Vorposten der deutschen Kampftruppen in der afghanischen Provinz Baghlan wurden offenbar unrechtmäßig geöffnet. Weitere Briefe sollen rechtmäßig vom Zoll geöffnet, kontrolliert und dann entsprechend gekennzeichnet worden sein. Dabei soll ein USB-Stick einbehalten worden sein.

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