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„Ganze Welt wird reich“

Euphorische Töne gerade rechtzeitig zum derzeit laufenden Weltwirtschaftsforum in Davos: Ökonomen führender Finanzinstitute verabschiedeten sich im Vorfeld des jährlichen Treffens der Wirtschaftselite nicht nur von den Krisenszenarien der letzten Jahre. Ganz im Gegenteil, es werden zunehmend Hinweise auf einen „Superzyklus“ geortet, und der Weltwirtschaft werden zum erst dritten Mal seit dem Ende des 19. Jahrhunderts „goldene Jahrzehnte“ prognostiziert.

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Experten von Goldman Sachs, PricewaterhouseCoopers und McKinsey sind sich nach Angaben der Wirtschaftsplattform Bloomberg einig, dass nun mit gleich mehreren Dekaden mit „historischen“ Wachstumsraten zu rechnen sei. In Zahlen gefasst, soll sich bis zum Jahr 2030 das weltweite Bruttoinlandsprodukt von derzeit 62 Billionen auf 143 Billionen Dollar vervielfachen, wie Gerard Lyons von der Standard Chartered Bank zitiert wird. Eine ähnliche Entwicklung habe es zuvor nur in den vier Dekaden vor dem Ersten und den drei Dekaden nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben, so Lyons mit Verweis auf eine entsprechende Studie (PDF).

BRIC-Staaten als treibende Kraft

Vom „Superzyklus“ erfasst sollen laut Wirtschaftsnobelpreisträger Edward Prescott alle Volkswirtschaften werden: „Die ganze Welt wird am Ende dieses Jahrhunderts reich sein.“ Mit hohen Wachstumsraten sei somit auch in Europa und den USA zu rechnen, obwohl in den ungebremsten Wachstumserwartungen in den aufstrebenden Volkswirtschaften - allen voran in China - der Hauptmotor der mehr als optimistischen Prognosen geortet wird.

Jim O’Neill von Goldman Sachs zeigte sich in diesem Zusammenhang überzeugt, dass die Befürchtung, der Aufschwung in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China, Anm.) würde die bisherigen Wirtschaftsgroßmächte weiter in den Hintergrund treiben, „nicht mehr aktuell“ sei. Als Gründe dafür wurde beispielsweise der zunehmende Importhunger von China genannt.

„Schwierig, nicht in Depressionen zu verfallen“

Weit skeptischer zeigte sich Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. Er ortet in den euphorischen Prognosen nicht nur eine möglicherweise durch die Dynamik in Asien verklärte Sicht der Weltwirtschaft. Wenn man in den USA und in Europa arbeite, sei es mit Blick auf die Wirtschaftsdaten auch weiterhin schwierig, „nicht in Depressionen zu verfallen“, wie Stiglitz von Bloomberg zitiert wurde. Auch andere Ökonomen orteten im Vorfeld von Davos nicht nur Jubelstimmung und verwiesen etwa auf die weiter ungelöste Schuldenkrise in Europa und die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in den USA.

Risikoreiche Machtverschiebungen

Auch die Machtverschiebung unter den globalen Wirtschaftsmächten berge bisher nicht einschätzbare Risiken. Ian Bremmer von der Beratungsfirma Eurasia nannte hier etwa den schrumpfenden Führungsanspruch der USA. Sollte kein Land mehr über genügend Macht verfügen, die globalen Wirtschaftsleitlinien zu steuern, drohe laut Bremmer eine Ära zunehmender Wirtschaftskonflikte.

Die nach Davos geladene Wirtschaftselite teilt offenbar diese Ansicht: Auf dem Tapet des jährlichen Treffens im Schweizer Graubünden dürften demnach auch die Gefahren einer schwieriger führbaren Welt stehen, die einer vom WEF durchgeführten Umfrage zufolge mittlerweile als eine der größten Risiken für die Weltwirtschaft angesehen wird.

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