Schwellenländer auf dem Vormarsch
Die Welt ist eine andere geworden in der Wirtschaftskrise, die Gewichte haben sich verlagert - auch beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos: Noch nie waren die Eliten der Schwellenländer wie China und Indien so stark vertreten wie heuer.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die Weltwirtschaftskrise, unter der das Treffen noch im vergangenen Jahr litt, ist weitgehend überwunden. Im Schweizer Wintersportort wollen die rund 2.500 Teilnehmer ab Mittwoch nach vorne schauen - unter dem Motto „Gemeinsame Normen für eine neue Realität“.
Neues Zeitalter?
Denn die Welt scheint aus den Angeln gehoben, glaubt man Klaus Schwab, dem Gründer des Weltwirtschaftsforums, der ein ziemlich nüchterner deutscher Professor ist. Die politische und wirtschaftliche Macht habe sich von West nach Ost und von Nord nach Süd verlagert, die Technologie entwickle sich atemberaubend, sagt der 72-Jährige. Die Welt befinde sich in einem „neuen Zeitalter der Postglobalisierung“, was offenbar viele überfordere. Tendenzen eines „globalen Burn-out“ seien zu erkennen, viele handelten nicht mehr „proaktiv, sondern reaktiv wie eine Feuerwehr“, meint Schwab.
„Schielen auf kurzfristigen Erfolg“
In der „Welt am Sonntag“ gab er den Unternehmern, die das Forum weitgehend finanzieren, noch eins drauf: „Noch immer schielen zu viele Manager auf den kurzfristigen Erfolg, statt nachhaltig zu wirtschaften. Die Einsicht, dass wir es nicht nur mit einer konjunkturellen, sondern vor allem mit einer fundamentalen moralischen Krise zu tun hatten, ist noch immer nicht vorhanden.“
Das soll nun bis Sonntag in Davos diskutiert werden. Herauskommen sollte nach Schwabs Ansicht eine „Rückbesinnung auf die Werte einer sozialen Marktwirtschaft“. Aber da seien derzeit weltweit bestenfalls Ansätze einer wirklichen Bewusstseinsveränderung erkennen.
Schwellenländer zahlenmäßig überlegen
Die neue Realität zeigt sich schon bei der handverlesenen Auswahl der Teilnehmer: China, Indien, Brasilien und Russland sind mit Delegationen in Davos vertreten, wie es sie noch nie gab. Auch der afrikanische Kontinent entsendet deutlich mehr Vertreter aus Politik und Wirtschaft als je zuvor. Es gehe auch nicht darum, die „Nachbeben der jüngsten Krise zu thematisieren“, sondern darum, wie weltweit an neuen Normen gearbeitet werden könne, mit denen alle gemeinsam die Zukunft bestreiten können, hofft Schwab.
Ohnehin scheint es so, dass zwar die „alten“ Davos-Gäste wie Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy nicht fehlen dürfen. Aber es sind die Vertreter der G-20, wo die Schwellenländer den Industriestaaten schon zahlenmäßig knapp überlegen sind, die die Gästelisten füllen.
Carreras, De Niro, Kahn
Zur neuen Realität und Ausgewogenheit soll auch beitragen, dass die Unternehmen gebeten wurden, mehr Frauen in ihre Delegationen aufzunehmen. Im vergangenen Jahr waren es nur 16 Prozent der Teilnehmer. Da aber etwa unter den größten 500 Unternehmen der Welt nur weniger als drei Prozent Frauen in Spitzenpositionen zu finden sind, ist das potenzielle Teilnehmerfeld klein.
Nur knapp ein Fünftel der Staaten dieser Welt werden von Frauen geführt. Auch bei der Kunstprominenz überwiegen diesmal die Männer, etwa mit Opernsänger Jose Carreras und Schauspieler Robert De Niro. Ex-Spitzentorwart Oliver Kahn ist ebenfalls in Davos. Er diskutiert bei einer Nebenveranstaltung, dem „Open Forum“, über die zukünftige Rolle des Sports in der „neuen Realität“.
Heinz-Peter Dietrich, dpa
Link: