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Betrugsvorwürfe gegen Archäologen

Ägypten hat nun offiziell die Büste der Nofretete zurückgefordert, das Glanzstück des Neuen Museums in Berlin. Das Kulturministerium in Kairo teilte am Montag mit, der Antrag sei bereits an den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, geschickt worden. Ministerpräsident Ahmed Nasif habe die Forderung unterzeichnet.

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In Deutschland sieht man das anders: Ein offizielles Ersuchen Ägyptens zur Rückgabe der Nofretete sei dem deutschen Kulturminister Bernd Neumann (CDU) nicht bekannt, sagte sein Sprecher Hagen Philipp Wolf. Es gebe ein Schreiben vom 2. Jänner, adressiert an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Es trage die Unterschrift des ägyptischen Chefarchäologen und stellvertretenden Kulturministers Sahi Hawass, sagte Wolf. Die darin formulierte Bitte um Rückgabe der Nofretete hätten aber weder der ägyptische Ministerpräsident noch andere Regierungsmitglieder unterzeichnet.

Parzinger bestätigte den Brief aus Ägypten. „Das Schreiben ist nicht vom Ministerpräsidenten unterzeichnet“, teilte Parzinger mit. Dagegen bekräftigte die Altertumsbehörde in Kairo, der Ministerpräsident habe unterschrieben.

Vorwürfe gegen deutschen Archäologen

Die etwa 3.300 Jahre alte farbige Büste der Gattin von Pharao Echnaton hatte der deutsche Archäologe Ludwig Borchardt 1912 in Tell al-Amarna ausgegraben, einer von Echnaton gegründeten Residenzstadt. Hawass ist der Auffassung, Borchardt habe die Verantwortlichen in Kairo damals mit unlauteren Mitteln hinters Licht geführt. Der Deutsche habe dadurch sicherstellen wollen, dass die vom Bildhauer Thutmosis geschaffene Büste auf jeden Fall nach Deutschland kommt.

Deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel betrachtet die Büste der Nofretete

Reuters

Seit 2009 ist die Nofretete im Neuen Museum in Berlin ausgestellt und sorgt dort für anhaltende Besucheranstürme.

Deutschland bestreitet Betrug

In Berlin wird diese Täuschungsabsicht jedoch bestritten. „Wir sind überzeugt davon, dass es bei der Fundteilung absolut korrekt zugegangen ist. Damals ist nicht mit falschen Karten gespielt worden, nichts verheimlicht, nicht betrogen worden, die Einigung über die Fundteilung war ein ganz reguläres Verfahren“, so der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Michael Eissenhauer, in einem Gespräch mit der dpa.

Auch im deutschen Auswärtigen Amt ist man der Ansicht, die zerbrechliche Dame sei „rechtmäßiges Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ und müsse deshalb auch nicht an Ägypten zurückgegeben werden. Auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte im vergangenen Mai während eines Besuches in Kairo versucht, die Ägypter davon zu überzeugen. Er verwies damals auch auf die Einschätzung von Experten, wonach ein längerer Transport der alten Büste Schaden zufügen könnte.

Halbe-halbe bei archäologischen Funden

Als Borchardt 1912 die Nofretete und andere großartige Altertümer aus der Amarna-Zeit entdeckte, galt noch das inzwischen abgeschaffte Prinzip der „Fundteilung“. Das bedeutete, dass die Hälfte der Fundstücke damals in das Land gingen, das die Ausgrabung finanziert und organisiert hatte, die andere Hälfte blieb in Ägypten. Hawass behauptet, Borchardt habe die Büste vor dem Teilungstermin mit Matsch eingeschmiert, um ihren Wert vor dem ägyptischen Antikendienst zu verbergen. Der Antikendienst, der bei den Fundteilungen entschied, war damals von einem Franzosen geleitet worden.

Nofretete soll bei Pyramiden ausgestellt werden

Grund für die offizielle Aufforderung ist nun, dass sich Deutschland weigert, die Büste für eine Ausstellung in Ägypten zu verleihen. Die Büste der ägyptischen Königin soll nach dem Wunsch von Hawass 2012 zur Eröffnung des neuen Ägyptischen Museums bei den Pyramiden präsentiert werden. Hawass machte deutlich, dass er verhandeln wolle, fügte jedoch hinzu: „Falls Berlin mir diesen Wunsch verweigert, werde ich andere Saiten aufziehen.“ Dann werde er die Altertümerverwalter anderer Länder wie China, Türkei, Griechenland, Italien, Mexiko, Syrien und Irak „einladen, mit Ägypten zusammen eine Wunschliste von Kulturgütern aufzustellen, die wir aus dem Ausland zurückfordern“.

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