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Segelschiff auf dem Weg zurück nach Kiel

Der Tod einer jungen Offiziersanwärterin und eine angebliche Meuterei auf dem deutschen Marineausbildungsschiff „Gorch Fock“ schlagen hohe Wellen. Die Mutter der Soldatin erstattete Strafanzeige gegen die Bundesrepublik Deutschland. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) setzte den Kommandanten des Schiffes ab.

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Was ist am 7. November 2010 an Bord des deutschen Heeresschulschiffs „Gorch Fock“ tatsächlich vorgefallen? An diesem Tag fiel eine 25-jährige Offiziersanwärterin beim Klettern in der Takelage aus 27 Metern Höhe aufs Deck. Zwölf Stunden später erlag sie ihren Verletzungen.

Dass es sich dabei um einen tragischen Unfall handelte, will die Mutter der Soldatin nicht glauben. Laut dem deutschen Magazin „Focus“ erhebt sie nun schwere Vorwürfe gegen die Bundeswehr-Führung. „Keiner erklärt mir, was genau passiert ist, als meine Tochter starb.“ Sie vermute, dass die wahren Gründe für den Tod ihrer Tochter „vertuscht“ worden seien. Die Mutter brachte wegen fahrlässiger Tötung Strafanzeige gegen die deutsche Bundesregierung ein.

Matrosen hissen die Segel des Schulschiffs Gorch Fock

AP/Axel Heimken

70 Offiziersanwärter waren zum Zeitpunkt des Unglücks auf der „Gorch Fock“.

Druck auf Kadetten „strafrechtlich nicht relevant“

Ins Rollen wurde der Fall gebracht, als Berichte über eine angebliche Meuterei auf dem Schiff die Runde machten. So sollen Mitglieder der Stammbesatzung Kadetten drangsaliert haben, woraufhin vier Auszubildende laut einem Bericht des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) die Befehlsannahme verweigert haben. Sie sollen unmittelbar nach dem Tod ihrer Kameradin gedrängt worden sein, wieder in die Masten zu klettern. Außerdem soll es zu sexuellen Übergriffen gekommen sein.

Karl-Theodor zu Guttenberg, deutscher Verteidigungsminister

AP/Gero Breloer

Verteidigungsminister Guttenberg ordnete die sofortige Rückkehr des Schiffes an.

Die Kieler Staatsanwaltschaft will das Todesermittlungsverfahren nach „Focus“-Recherchen jedoch in Kürze einstellen. Der Kieler Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt sagte dem Magazin: „Einzelne Lehrgangsmitglieder mögen so etwas wie Druck empfunden haben.“ Das jedoch sei „strafrechtlich nicht relevant“.

Kapitän abgesetzt

Dennoch zog Verteidigungsminister Guttenberg nun die Konsequenzen. Er ließ Kapitän Norbert Schatz als Kommandanten des Segelschulschiffs absetzen. „Nach einer derartigen Häufung von faktisch erschütternden Berichten kann niemand zur Tagesordnung übergehen“, sagte Guttenberg. Außerdem ordnete er die sofortige Rückkehr der „Gorch Fock“ nach Deutschland an. Auch die Stilllegung des Dreimasters werde geprüft.

Nach der Rückkehr in den Heimathafen Kiel solle das Schiff auch bis auf weiteres nicht mehr auslaufen. Die „Gorch Fock“ werde aus der Fahrbereitschaft genommen, „bis eine noch einzusetzende Kommission auch unter Mitwirkung von Abgeordneten des Deutschen Bundestags beurteilt hat, inwieweit die ‚Gorch Fock‘ als Ausbildungsschiff und Botschafterin Deutschlands auf den Weltmeeren Zukunft hat“, sagte Guttenberg weiter.

Richtiger Schritt oder „Vorverurteilung“?

Der Chef des deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, hält die Absetzung des Kommandanten für einen richtigen Schritt. Wenn jemand so kritisiert werde wie Schatz, dann sei das Vertrauensverhältnis derart belastet, dass es günstiger sei, „ihn aus der Verantwortung zu nehmen“, sagte Kirsch. Auch die Entscheidung, das Segelschulschiff sofort von Argentinien nach Deutschland zu beordern, ist für ihn korrekt. Zur Zukunft der „Gorch Fock“ muss nach Kirschs Ansicht nun analysiert werden, ob die Ausbildung der Offiziersanwärter so noch zeitgemäß sei.

„Zur Klärung der Vorgänge auf der ‚Gorch Fock‘ ist eine Untersuchungskommission unterwegs. Der Minister aber entlässt den Kommandanten, ohne ihn vorher anzuhören“, kritisierte hingegen SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Das sei eine „Vorverurteilung“ und „Unrecht“.

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