Demonstranten lassen nicht locker
Ermutigt vom Wandel in Tunesien haben am Samstag in Algerien erneut Anhänger der Opposition für Freiheit und Demokratie demonstriert. Dabei gab es Dutzende Verletzte. In Tunesien kam es wieder zu Demonstrationen. Der ägyptische Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei schloss unterdessen auch in seinem Heimatland eine Protestwelle nicht aus.
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In Algier wurde der nicht genehmigte Protestmarsch der Demonstranten durch die Innenstadt von einem Großaufgebot von Polizisten mit Schlagstöcken und Tränengas aufgelöst. Bei den Auseinandersetzungen seien 42 Anhänger der Oppositionspartei RCD (Bewegung für Kultur und Demokratie) verletzt worden, sagte deren Präsident Said Sadi. Nach Polizeiangaben wurden auch sieben Beamte verletzt. „Viele“ Demonstranten wurden festgenommen, unter ihnen auch ein RCD-Abgeordneter.
„Die Macht ist mörderisch“
Die Partei hatte trotz eines Demonstrationsverbots zu der Veranstaltung aufgerufen. „Die Macht ist mörderisch!“ und „(Präsident Abdelaziz, Anm.) Bouteflika, verschwinde!“ skandierten die Protestierenden. Die Menschen forderten die Freilassung von Gefangenen und die Wiederherstellung individueller Freiheiten.

APA/EPA
Die algerische Polizei löst gewaltsam eine nicht genehmigte Demonstration auf.
Seit der Verhängung des Ausnahmezustands 1992 sind in Algerien Kundgebungen verboten. Die algerische Liga für die Verteidigung der Menschenrechte (Laddh) verurteilte das Verbot. Friedliche Protestzüge, die von politischen Parteien und der Zivilgesellschaft getragen würden, zu verbieten heiße eine „Explosion“ zu provozieren, sagte Laddh-Präsident Mostefa Bouchachi. In den vergangenen Wochen starben mindestens fünf Menschen bei Protesten, mehr als 800 weitere wurden verletzt.
Tunesische Polizei schließt sich Demonstranten an
In Tunis forderten Demonstranten den Ausschluss der früheren Gefolgsleute des entmachteten Diktators Zine el Abidine Ben Ali aus der Politik. Auch die einst gefürchtete tunesische Polizei solidarisierte sich offenbar mit den Demonstranten. Mindestens 2.000 Beamte versammelten sich unweit der Zentrale des Innenministeriums und verlangten das Recht, Gewerkschaften zu gründen. Sie baten die Bevölkerung zudem um Entschuldigung und gelobten, nicht mehr als Unterdrücker der Bürger eingesetzt werden zu wollen.
Hunderte Tunesier brachen unterdessen aus der verarmten Zentralregion des Landes, von wo aus die Proteste ihren Ausgang nahmen, auf einen 280 Kilometer langen Marsch nach Tunis auf. Je mehr Orte sie passierten, umso mehr Menschen schlossen sich der „Karawane der Freiheit“ an. Auch sie verlangen den Rücktritt der Übergangsregierung. Ein zweiter Marsch soll in Kasserine starten.

AP/Nasser Nasser
Friedensnobelpreisträger und Ex-IAEA-Chef Mohamed ElBaradei
Tunesiens Übergangspremier Mohamed Ghannouchi, der das Amt des Regierungschefs schon unter Ben Ali bekleidet hatte, kündigte im Staatsfernsehen an, er werde sich nach den Wahlen in sechs Monaten aus der Politik zurückziehen. Unterdessen will der tunesische Islamistenführer Rached Ghannouchi „sehr bald“ aus dem Londoner Exil in seine Heimat zurückkehren. Dem deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ sagte er, er strebe im neuen Tunesien kein Amt an. „Ich bin kein Khomeini“, so Ghannouchi.
Auch in Ägypten gärt es
In Ägypten unterstützt der ehemalige IAEA-Generaldirektor ElBaradei nach eigenen Worten die landesweiten Proteste in seiner Heimat gegen das Regime des seit nahezu drei Jahrzehnten herrschenden Staatschefs Hosni Mubarak. „Ich stehe hinter jeder friedlichen Forderung nach einem Wandel“, sagte er dem „Spiegel“. „Mein Ruf nach Reformen ist beim Regime ungehört verhallt, da bleibt wohl nur der Weg auf die Straße.“
Ausschreitungen bei den Demonstrationen, die für den „Tag des Zorns“ am Dienstag in Ägypten geplant sind, schließt ElBaradei nicht aus: „Es sind junge, ungeduldige Menschen, die nun ihre Entschlossenheit zeigen.“ Falls das autoritäre Mubarak-Regime keine Zugeständnisse mache, könnte eine „Phase der Instabilität“ in Ägypten eintreten: „Diese Proteste sind der Schneeball, aus dem eine Lawine werden kann.“
EU-Zurückhaltung vor dem Sturz
Keine EU-Regierung hatte den nach Saudi-Arabien geflüchteten Ex-Diktator Ben Ali offen kritisiert, solange dieser an der Macht gewesen war. Vielmehr war sein Regime als Bollwerk gegen Islamismus gelobt und gehätschelt worden.
EU will helfen
Die Europäische Union will Tunesien beim Aufbau einer Demokratie unterstützen. Die EU arbeite an verschiedenen Maßnahmen, die dem Land beim Übergang helfen und soziale Probleme lindern sollten, sagte die Außenbeauftragte Catherine Ashton der deutschen Zeitung „Welt am Sonntag“. Dazu gehörten die Unterstützung von Wahlen, finanzielle Zusammenarbeit und die Förderung einer unabhängigen Justiz. „Tunesien hat einen Punkt erreicht, von dem es kein Zurück mehr gibt“, sagte Ashton.
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