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Ministerpräsident übernimmt Amt

Der tunesische Präsident Zine el Abidine Ben Ali hat nach Angaben des tunesischen Ministerpräsidenten Mohamed Ghannouchi sein Land verlassen. Ben Ali habe Tunesien am Freitag verlassen, sagten auch zwei Vertreter aus Regierungskreisen der Nachrichtenagentur AFP in Tunis.

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Ghannouchi erklärte, er habe vorübergehend das Amt übernommen. Er werde die Verfassung respektieren und die Stabilität im Land wiederherstellen. Der Präsident sei derzeit nicht in der Lage, sein Amt auszuüben. Ben Ali ist unterdessen offenbar auf dem Weg nach Frankreich. Die französische Regierung will Ben Ali allerdings angeblich nicht in Paris landen lassen. Das berichtete die Zeitung „Le Monde“ am Freitag auf ihrer Website. Sein Flugzeug befinde sich derzeit auf dem Weg nach Paris.

Krisensitzung im Elysee

Eine Maschine mit einer Tochter und einer Enkelin Ben Alis sei bereits auf dem Flughafen Le Bourget bei Paris gelandet. Einer zweite Maschine sei jedoch die Landeerlaubnis verweigert worden. Ben Ali befinde sich in einer dritten Maschine, berichtete „Le Monde“. Ben Ali habe im Vorfeld jedoch keine Bitte um Aufnahme gestellt, betonte Außenministerin Michele Alliot-Marie. Falls er das tun werde, wolle Frankreich dies mit den verfassungsgemäßen Autoritäten in der früheren Kolonie Tunesien beraten, fügte sie hinzu.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Premierminister Francois Fillon waren zuvor zu einer Krisensitzung im Elysee zusammengekommen, um über die Lage in der ehemaligen Kolonie zu beraten.

Ausnahmezustand in ganz Tunesien

Ben Ali hatte am Freitagnachmittag die Auflösung der Regierung sowie vorgezogene Parlamentswahlen angekündigt. Die Wahlen sollten in sechs Monaten stattfinden, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur TAP.

Die Regierung hatte zuvor den Ausnahmezustand über das nordafrikanische Land verhängt, das seit Wochen von gewaltsamen Protesten gegen die Regierung erschüttert wird. Der Ausnahmezustand gelte für das ganze Land, berichtete die offizielle Nachrichtenagentur in Tunis. Es gelte eine Ausgangssperre zwischen 18.00 Uhr und 6.00 Uhr, erklärte die Regierung. Zudem seien Versammlungen an öffentlichen Orten verboten. Armee und Polizei erhielten das Recht, auf „Verdächtige“ zu schießen, die sich den staatlichen Anordnungen widersetzen.

In Tunis hatten am Freitag mehr als zehntausend Menschen den Rücktritt des 74 Jahre alten Präsidenten Ben Ali gefordert. Bisher sollen rund 80 Menschen bei den Unruhen gestorben sein.

Österreichische Touristen nicht besorgt

Der österreichische Botschafter in Tunis, Johann Fröhlich, beschrieb Freitagabend in der ZIB2 die Lage in der Nähe der Botschaft im Norden der tunesischen Hauptstadt als ruhig. Etwa 140 Auslandsösterreicher seien über ganz Tunesien verstreut. Man habe sie per E-Mail benachrichtigt, keiner sei physisch zu Schaden gekommen.

Rund 150 österreichische Touristen befinden sich laut Josef Peterleithner, Konzernsprecher der TUI, derzeit in Tunesien. Man stehe mit ihnen in Kontakt. Die meisten befänden sich entweder in luxuriösen All-inclusive-Ressorts oder auf Wüstentouren, wie die ZIB2 Freitagabend berichtete. Von den Unruhen hätten sie meist über die Absage von Städteausflügen erfahren. Die Touristen seien nicht in Gefahr und wollten auch nicht früher zurückkehren, so Peterleithner in der ZIB2.

Demonstranten werden Steine gegen die Polizei

AP/Christophe Ena

Demonstranten bewerfen Polizisten mit Steinen.

Straßenschlachten in Tunis

Am Freitag kam es erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten. In der Hauptstadt Tunis lieferten sich Gruppen von Demonstranten Straßenschlachten mit Anti-Aufruhr-Einheiten der Polizei, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten.

Die Demonstranten in Tunis skandierten „Nein zu Ben Ali“ und nannten ihn einen „Lügner“. Die Menschen machen ihn und seinen Clan für die hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und Polizeigewalt verantwortlich. Am Nachmittag wurden Demonstranten vor dem Innenministerium von Polizisten mit Tränengas vertrieben. Augenzeugen berichteten auch von Schüssen. Zuvor hatte es Versuche gegeben, das Gebäude zu stürmen.

Tunesische Polizisten schleifen Demonstranten über die Straße

AP/Christophe Ena

Polizisten schleifen einen Demonstranten weg.

Immer mehr Tote

Bei Ausschreitungen hatten Sicherheitskräfte in den vergangenen Tagen mehrfach auf Demonstranten geschossen. Menschenrechtler nannten bis Donnerstag die Zahl von 66 Toten. Mindestens 13 weitere starben seitdem bei den Unruhen in der Hauptstadt Tunis, bestätigten Krankenhausmitarbeiter am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Die Zahl könnte jedoch noch weiter steigen.

Zugeständnisse reichten nicht

Ben Ali hatte am Donnerstagabend Zugeständnisse gemacht und für 2014 das Ende seiner mittlerweile 23-jährigen Präsidentschaft in Aussicht gestellt. Die EU ermunterte ihn, diesen Kurs der Öffnung weiter zu verfolgen. Sprecher von Oppositionsparteien im Land kritisierten das Angebot jedoch als ungenügend. Menschenrechtsgruppen wie Reporter ohne Grenzen prangerten das brutale Vorgehen gegen die Protestbewegung an.

In seiner dritten Fernsehansprache innerhalb weniger Wochen hatte Ben Ali sinkende Preise für Grundnahrungsmittel, mehr Demokratie und die Aufhebung der Internetzensur versprochen. Wenig später konnten zuvor gesperrte Websites wie etwa YouTube wieder erreicht werden.

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